Urteile zur IVF-Kostenübernahme, kommentiert von RA Modl
PID bei männlicher genetischer Erkrankung – z.Z. keine Kassenleistung (BSG 18.11.2014)
PID bei medizinischer Indikation zwar zulässig:
Mit § 3 a ESchG (Embryonenschutzgesetz) und der PIDV (Präimplantationsdiagnostikverordnung) vom 1.2.2014 wurde PID nun auch in der BRD bei enger medizinischer Indikation vom Gesetzgeber ausdrücklich zu einer zulässigen ärztlichen Behandlung in Fällen genetischer Erkrankung erklärt. Allerdings haperte es dann noch eine Zeit lang an der praktischen Umsetzung wie beispielsweise der Einsetzung der Ethikkommissionen. In einigen Bundesländern wurden erst in den Folgejahren installiert und haben anschließend ihre Arbeit aufgenommen (z.B. in Bayern, Ende 2015).
Aber: derzeit keine Kostenübernahme in der GKV
Eine ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers zur Kostenübernahme für PID fehlt derzeit leider. So müssen die betroffenen Patienten im Einzelfall vor Gericht für eine Kostenübernahme streiten, wenn ihre Kasse die Kosten nicht aus Kulanzgründen trägt. Die Sozialgerichte, die für den Bereich der GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) bei Rechtsstreitigkeiten zuständig sind, tun sich schwer, eine Anspruchsgrundlage zu finden und verneinen derzeit einen Anspruch auf Kostenübernahme für PID; sie pochen darauf, dass der Gesetzgeber sich des Themas annehmen solle.
IVF bei 46jähriger Frau – individuelle Erfolgsprognose vorrangig, geringe Aussagekraft des IVF-Registers wegen kleiner Fallzahlen in dieser Altersgruppe
Ausgangslage:
Im Rahmen der Notwendigkeit der Heilbehandlung verlangt der BGH bekanntlich (siehe unsere weiteren Artikel in der Rubrik PKV!) das Erreichen einer Erfolgsprognose von 15 % pro Behandlungszyklus bei einer IVF-Behandlung (bezogen auf das Erreichen einer Schwangerschaft). Mit zunehmendem weiblichen Alter sinkt die Erfolgschance.
Die Erfolgsprognose ist anhand des IVF-Registers in Verbindung mit dem weiblichen Alter und der individuellen Umstände des Einzelfalles nach objektiven Kriterien zu ermitteln.
Sachverhalt:
Unsere Mandantin war zum Zeitpunkt der Behandlung (2 IVF-Zyklen) knapp unter bzw. bereits über 46 Jahre alt. Allerdings war die Ovulation regelmäßig und die Stimulierbarkeit gut – bezogen auf ihr kalendarisches Alter überdurchschnittlich gut. Die Frau war also „biologisch“ jünger als es ihrem kalendarischen Alter entsprach. Ihre PKV wollte unter Hinweis auf die Statistik des IVF-Registers und ihr Alter die Kosten nicht übernehmen. Das LG Würzburg verurteilte sie nach Einholung eines sterilitätsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Kostenübernahme (Urteil vom 21.01.2013, rechtskräftig).
IVF+ICSI ausnahmsweise (allein) aus weiblicher Befundlage indiziert und notwendig (beginnende Ovarialinsuffizienz) – LG München II (19.10.2012):
Sachverhalt:
Die Provinzial Krankenversicherung wollte unserer Mandantin (geboren 1971) keine Versicherungsleistungen für eine kombinierte IVF/ICSI-Behandlung, beginnend 2011, gewähren. Sie wandte ein, dass eine weibliche Sterilitätsursache nicht nachgewiesen sei und die Klägerin wegen einer beginnenden Ovarialinsuffizienz die nötige Erfolgsprognose von 15 % (Erreichen einer Schwangerschaft mittels IVF-Behandlung) verfehle.
Sonstige weibliche Einschränkungen lagen nicht vor bzw. waren nicht bekannt; die Spermiogramme lagen im Normbereich. Im Vorjahr (2010) war es zu einer spontanen Schwangerschaft, allerdings nur biochemisch nachgewiesen und von kurzer Dauer, gekommen.
Das Landgericht München verurteilte die Versicherung, unserer Mandantin die Kosten für den 1. Behandlungszyklus zu erstatten und zwar inklusive ICSI – Kostenteil. Eine kombinierte IVF/ICSI – Behandlung hat in einem derartigen Grenzfall nämlich eine höhere medizinische Erfolgsprognose als eine „einfache“ IVF – Behandlung.
Leistungslücke Beihilfe / PKV bei IVF ist vom Beihilfeberechtigten hinzunehmen (OVG NRW 29.08.2012)
Leider sind die unterschiedlichen Rechtsbereiche (PKV – GKV – Beihilfe) nicht aufeinander abgestimmt, so dass Leistungslücken entstehen können.
Dies betrifft z.B. das Verhältnis zwischen PKV (private Krankenversicherung) und dem dort geltendem Verursacherprinzip einerseits und den Beihilfesystemen mit dort geltendem Körperprinzip andererseits. Nach diesem Körperprinzip erfolgt die Kostenteilung darnach, auf welchen Körper (Mann oder Frau) sich die jeweilige Behandlungsmaßnahme bezieht; extrakorporale Maßnahmen sind gesondert zuzuordnen. Das Körperprinzip folgt der Rechtslage in der GKV (gesetzliche Krankenversicherung), welche sich aus § 27 a SGB V für „AOK & Co.“, also die gesetzlichen Krankenkassen (AOK, Ersatzkassen, BKK) ergibt.
In Einzelfällen kann dies bei „gemischt versicherten“ Personen (oder auch „gemischt versicherten“ Paaren) zu Deckungslücken führen – z.B.
AMH und Fertilität I (männliche Indikation) – trotz AMH-Wert von 0,15 muss PKV des kranken Mannes IVF/ICSI zahlen
Mit Feinheiten der Beurteilung der medizinischen Erfolgsprognose für die IVF-Behandlung hatte sich das LG München I zu befassen. Die Kinderwunschbehandlung erfolgte aus männlicher Indikation (Subfertilität, eingeschränkte Spermiogramme).
Unser Mandant konnte die Kostenerstattung gegen die DKV AG erstreiten, die vor allem einwandte, der AMH-Wert seiner Frau sei für eine günstige Erfolgsprognose zu niedrig (er war mit 0,15 gemessen worden); das Gericht folgte aber der Einschätzung der Krankenversicherung nicht (Urteil vom 25.04.2012).
Bekanntlich muss eine Erfolgsprognose von 15 % (Schwangerschaftseintritt pro Behandlungszyklus) erreicht werden (siehe dazu unsere weiteren Artikel in der Kategorie PKV!).
Zum Sachverhalt:
Endometriose + Gelbkörperschwäche bei 42jähriger Frau Indikation für IVF-Behandlung – zur Erfolgsprognose nach DIR und bei Vorgeburt
Die Alte Oldenburger Krankenversicherung wollte unserer Mandantin nach IVF-bedingter Vorgeburt eines Kindes in 2009 nicht mehr die Kosten für 3 weitere IVF-Behandlungszyklen (2. Kind) erstatten, da nach Meinung der PKV dafür keine günstige Erfolgsprognose mehr erreicht wurde. Nach Einholung eines sterilitätsmedizinischen Gutachtens gab jedoch das Landgericht München I der Klage unserer Mandantin überwiegend (2 von 3 Behandlungszyklen) statt (Urteil vom 03.05.2012).
Zum Sachverhalt:
Anfang 2009 war es schon mit der 1. IVF-Behandlung zu einer Schwangerschaft und im September 2009 zur Geburt einer Tochter gekommen. Damals hatte die PKV eine Kostenzusage gegeben. 2011 wünschte sich die Familie ein 2. Kind. Die Frau litt an Endometriose und einer Gelbkörperschwäche. Das war unstreitig. Die PKV bestritt aber, dass die neuerliche Behandlung jetzt noch genügende Erfolgsaussichten habe; die Frau sei mittlerweile 42 (im Juni 1968 geboren) und auch der AMH-Wert sei nicht günstig. Deswegen lehnte sie
IVF-Tarifklausel „Compact PRIVAT Optimal 2009“ ist rechtswidrig!
Das OLG Zweibrücken hatte in einem anderen Verfahren über die IVF-Klausel im Tarif Compact PRIVAT Optimal eines anderen großen Krankenversicherers zu entscheiden. Ähnlich wie die Allianz-Klausel (siehe dazu unseren gesonderten Artikel zum Beschluss vom 13.04.2011 des OLG München!) sah auch diese IVF-Klausel diverse Leistungsbeschränkungen und Hürden für die Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung vor.
Neben diversen Regelungen zu Altersgrenzen, Zahl der Kinder und einer „Hausarztklausel“ war verlangt, dass der Versicherer vor Behandlungsbeginn eine schriftliche Leistungszusage gibt; nur in diesem Fall könne ein Leistungsanspruch überhaupt entstehen. Ob oder unter welchen Voraussetzungen der Versicherer die Leistungszusage geben muss, blieb aber in der Tarifklausel offen.
Diese Regelung zur vorherigen Leistungszusage beanstandete das OLG Zweibrücken
Prozesskosten für IVF-Klage u.U. als außergewöhnliche Belastung steuermindernd absetzbar, § 33 EStG – BFH ändert seine Rechtsprechung (Urteil 12.05.2011)
Wird in einer Privatangelegenheit – und dazu gehören z.B. Maßnahmen der Krankenbehandlung und Leistungsansprüche gegen die Krankenversicherung auf Kostenübernahme – ein Prozess geführt, so konnten die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten (Anwaltskosten, Gerichtskosten, Gutachtenkosten) früher so gut wie nie steuermindernd als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden. Nach einer zwischenzeitlichen Lockerung zu Gunsten des Steuerzahlers kehrte der BFH (Bundesfinanzhof) wieder zu seiner alten, sehr strengen Rechtsprechung zurück (Urteil vom 18.6.2015), sodass jetzt leider wieder gilt: Die Prozesskosten sind nur in seltenen Ausnahmefällen unter sehr engen Voraussetzungen absetzbar.
ICSI – auch bei niedriger Spermienkonzentration keine Ausnahme von strengen Grenzwerten der Richtlinien (BSG 21.06.2011)
IVF und auch Zusatzmaßnahmen der ICSI-Behandlung sind grundsätzlich Kassenleistung. Das Nähere regelte der Gesetzgeber in § 27 a SGB V; medizinische Details sind ferner in den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 SGB V bestimmt.
Diese Richtlinien sehen nun für die Indikation einer ICSI-Behandlung im Kassenrecht strenge Grenzwerte vor, insbesondere
IVF-Tarifklausel „AktiMed Best 90“ der Allianz PKV (z.T.) rechtswidrig?
Neuerdings schränken viele Krankenversicherer die Leistungen für IVF in ihren AVB (Allgemeinen Versicherungsbedingungen) dem Grunde und der Höhe nach oft ganz erheblich ein! Oft stehen diese Einschränkungen – etwas versteckt – in den Tarifbedingungen und nicht im Hauptteil der AVB!
Empfehlung: Bei Neuabschluss aber auch Änderung eines bestehenden Vertrages (z.B. Tarifwechsel oder Änderung der Selbstbeteiligung!) sollte man das Kleingedruckte genauestens von A-Z lesen und prüfen!
So sieht z.B. der Tarif AktiMed Best 90 der Allianz Private Krankenversicherung