Urteile zur IVF-Kostenübernahme, kommentiert von RA Modl
BGH zur männlichen Subfertilität als Krankheit – Beweisanforderungen
Die Versicherung des Mannes wollte bei folgender Konstellation die Kosten der Sterilitätsbehandlung nicht erstatten. Der BGH hat am Ende der Klage unseres Mandanten in vollem Umfang stattgegeben:
6 Inseminationsbehandlungen verliefen frustran; daran anschließende 5 IVF/ICSI-Zyklen ebenso. Es konnte zwar 1 x eine Schwangerschaft erzielt werden; diese war aber leider nicht von Dauer. Die Spermiogramme waren schwankend, meist deutlich eingeschränkt (5 von 8). Der Sachverständige bestätigte in seinem Gutachten die Spermienanomalie.
Dies genügte dem Landgericht für eine volle Verurteilung der Versicherung gemäß unserem Klageantrag. – Nicht so das OLG München: es kam zur gegenteiligen Einschätzung und wies die Klage ab. Der BGH gab letztinstanzlich unserem Mandanten Recht.
Heilbehandlungskosten der homologen IVF (bei weiblicher Sterilitätsursache) sind außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG
Die notwendigen medizinischen Heilbehandlungskosten für eine künstliche Befruchtung wegen Empfängnisunfähigkeit der Frau sind bei einem Ehepaar als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG (Einkommenssteuergesetz) abzugsfähige Aufwendungen. Bei der homologen IVF-Behandlung handelt es sich um eine – somit auch steuerrechtlich – anerkannte Heilbehandlung, deren Kosten als außergewöhnliche Belastung steuermindernd absetzbar sind (BFH, III R 84/96, Urteil vom 18.06.1997).
Kosten IVF/ICSI-Behandlung (männliche Krankheit) sind außergewöhnliche Belastung, § 33 EStG – auch bei medizinisch ungünstigen Erfolgsaussichten, auch für 2. Kind
Auch bei Vorliegen eines männlichen Sterilitätsleidens sind Behandlungskosten der künstlichen Befruchtung als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG absetzbar. Dies gilt nach dem Urteil des FG München (20.05.2009, Az. 10 K 2156/08) auch dann, wenn die prognostizierten medizinischen Erfolgsaussichten für die Behandlung nach der IVF-Altersstatistik (IVF-Register) nicht mehr günstig sind oder ein Leistungsausschluss bei der Krankenversicherung für das Sterilitätsrisiko besteht. Und es gilt auch, wenn das Paar nicht (mehr) kinderlos ist, sondern sich im Wege der künstlichen Befruchtung sich ein 2. (weiteres) Kind wünscht. Die PKV des Klägers und auch seiner Ehefrau hatte eine Kostenübernahme abgelehnt. Unabhängig davon gilt aber nach dem Urteil des FG München: steuerlich absetzbar sind die Behandlungskosten allemal.
Auch Behandlungskosten der “heterologen” IVF (eheähnliche Partnerschaft) sind bei heterosexuellem Paar außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG – Änderung der bisherigen Rechtsprechung!
Auch bei einem nicht verheirateten heterosexuellen Paar, welches langjährig in eheähnlicher Partnerschaft zusammen lebt, können die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung wegen weiblicher Sterilitätserkrankung als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig nach § 33 EStG sein. Eine Gleichstellung mit verheirateten Paaren ist insoweit geboten, so der BFH (Bundesfinanzhof). Bemerkenswert ist, dass der BFH mit diesem Urteil im Jahre 2007 seine gegenteilige Rechtsprechung aus dem Jahr 2005 aufgab! Notwendig sei aber, dass die IVF-Behandlung im Einklang mit den berufsrechtlichen Vorschriften (also insbesondere ärztliche Berufsordnung) erfolgte. Für den behandelnden Arzt müsse feststehen, dass das (heterosexuelle) Paar in dauerhafter und gefestigter Beziehung lebe und zu erwarten sei, dass der Mann die Vaterschaft des künstlich gezeugten Kindes anerkennen werde.
IVF + PKD (Polkörperdiagnostik): erlaubt, aber dennoch keine Kassenleistung nach § 27 a SGB V (Stand vor BGH-Urteil vom 06.07.2010)
Von PID (Präimplantationsdiagnostik) ist PKD (Polkörperdiagnostik) aus rechtlicher Sicht zu unterscheiden. Im Prinzip sind aber medizinisch gesehen Behandlungsmethode und -ziel gleich: die genetische Untersuchung, ob Gendefekte und daraus resultierend schwerste Folgen für Schwangerschaft, Embryo oder Kind drohen. Die PKD erfolgt zeitlich noch etwas früher, nämlich noch vor der Verschmelzung des männlichen und weiblichen Erbgutes. Daher werden mit PKD allerdings auch nur weibliche Gendefekte erkannt. Es werden der 1. und ggf. 2. Polkörper nach Imprägnierung der Eizelle aber vor Verschmelzung der beidseitigen Erbmaterialien untersucht. Das macht nach deutscher Rechtssicht den rechtsethischen Unterschied aus! Deswegen sei – Stand 1990 – nach dem ESchG (Embryonenschutzgesetz) PKD erlaubt, PID dagegen nicht.
Diese früher herrschende Rechtsansicht ist seit dem BGH-Urteil vom 06.07.2010 überholt! Am 08.12.2011 trat sodann mit § 3 a ESchG eine gesetzliche Neuregelung zur PID, die auf das BGH-Urteil zurückgeht, in Kraft . Diese lässt PID unter engen Voraussetzungen zu!
Behandlung erlaubt – aber dennoch keine Kassenleistung:
Eine andere Frage ist es, ob die Kosten der (erlaubten) Behandlung von der Krankenkasse übernommen
IVF + PID (Präimplantationsdiagnostik) im Ausland – z.Z. keine deutsche Kassenleistung (Urteile aus 2007)
Hinweise:
eine Grundannahme der alten Urteile (PID sei in der BRD verboten) ist überholt, da PID bei strenger medizinischer Indikation seit 8.12.2011 durch § 3a ESchG (Embryonenschutzgesetz) erlaubt ist !
1. Mit Urteil vom 06.07.2010 hat der BGH aber nun entschieden, dass PID bei genetischer Indikation nicht gegen das ESchG verstößt! Dieses Urteil hat die gesetzliche Neuregelung in § 3 a ESchG angestoßen, wonach PID – unter engen Voraussetzungen – nicht strafbar ist und im medizinischen Verfahren in Zukunft bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben angewendet werden darf (vgl. BGBl I 2011, 2228; in Kraft getreten am 08.12.2011) – siehe Artikel auf unserer Seite Rechtsgrundlagen / aktuelle Rechtslage!
2. Ausgelöst durch dieses BGH-Urteil hat der Gesetzgeber nun PID geregelt mit § 3 a ESchG (Embryonenschutzgesetz) und einer Ausführungsverordnung, die am 1.2.2014 in Kraft tritt (PIDV = Präimplantationsdiagnostikverordnung). Demnach ist PID bei bestimmten medizinischen Indikationen erlaubt.
3. Zur Frage der Kostenübernahme für die Behandlung schweigen aber leider die o.g. Regelungen des Gesetzgebers!
PID (Präimplantationsdiagnostik) ist z.Z. – Stand 2007 – in Deutschland nicht zulässig. Das ESchG (Embryonenschutzgesetz) verbietet Ärzten unter Strafandrohung Maßnahmen zur PID aus ethischen Gründen. Nach derzeit herrschender Rechtsauffassung gilt dies generell, nach einer Mindermeinung sind Ausnahmen denkbar, z.B. wenn schwere Erbkrankheiten und Gesundheitsschäden von den Eltern auf den Embryo übertragen werden können und die davon betroffenen Embryonen selektiert werden sollen. In einigen Nachbarländern, z.B. Belgien, ist die Rechtslage anders; dort ist PID erlaubt.
Eine Kombination Inlands-IFV + Auslands-PID führt aber dennoch nicht zur Kassenleistung (Urteile SG Berlin vom 23.03.2007 und Hessisches LSG vom 30.01.2007) für die Behandlung. Zwar ist Kassenpatienten aus
Erfolgsaussichten IVF / ICSI bei 58jährigem Mann – Abgrenzung Alter / Krankheit
Das LG Dortmund gewährte auch einem 58jährigen Mann eine IVF- und ICSI-Behandlung (3 Behandlungszyklen), da nicht festgestellt werden konnte, dass die schlechte Spermienqualität rein altersbedingt und daher „normgerecht“ (in Bezug auf das Alter) sei und nicht krankhafterr Natur war (Urteil vom 14.01.2009). Die Altersgrenze aus § 27 a SGBV (für Kassenpatienten) gelte bei der PKV nicht.
Kryokosten I – Diese gehören derzeit nicht zum Leistungsumfang der Krankenkassen, aber es gibt Ausnahmen!
Manchmal werden Eizellen bei einer IVF-Behandlung im unbefruchteten Zustand oder im Vorkernstadium eingefroren, um sie für einen späteren Behandlungszyklus zu verwenden. Das kommt z. B. dann vor, wenn die Stimulation besser verlief als „kalkuliert“ und mehr potente Eizellen für den Transfer zur Verfügung stehen als in einem Transfer-Zyklus nötig oder sinnvoll sind (Problem: Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft!).
Im Bereich der GKV müssen die Kosten, die auf die Gewinnung, Aufbereitung und das Einfrieren und Lagern dieser Eizellen entfallen, nicht von der Kasse neben den sonstigen Behandlungskosten getragen werden, so die bisher eindeutige Rechtsprechung des BSG.
Nach den Gesetzesmaterialien zu § 27 a SGB V solle die künstliche Befruchtung nur den Zeugungsakt des unfruchtbaren Paares an sich ersetzen. Dazu gehöre nicht mehr die vorsorgliche Gewinnung und Kryokonservierung weiterer Eizellen für spätere Verwendungen. Selbst wenn es dem Wirtschaftlichkeitsgebot, § 12 Abs. 1 SGB V, entspreche und kostengünstiger sei, Eizellen zu konservieren statt sie durch einen späteren Eingriff zu gewinnen, könne dies keinen Leistungsanspruch schaffen (BSG, B 8 KN 3/99 KR R, Urteil vom 25.03.2000).
Das BSG hat seine Rechtsauffassung später in 2 weiteren Entscheidungen bekräftigt (B 1 KR 95/03 B vom 09.12.2004 und B 1 KR 11/03 R vom 22.03.205).
Für Kryo-Kosten von Sperma gilt im Prinzip das Gleiche (Urteil vom 28.09.2010).
Anmerkung 1: Die Sicht des BSG lässt nach unserer Auffassung die medizinische Wirklichkeit etwas außer Acht. Denn mit der Stimulation lässt sich die Zahl der Eizellen und deren Potenz für einen späteren Transfer nicht exakt vorherbestimmen. Es können mehr potente Eizellen im Einzelfall entstehen als geplant. Sollen diese dann verworfen werden (und welche von den überzähligen?) und der nächste Zyklus wieder als „Vollzyklus“ durchgeführt werden? Oder sollen alle Eizellen gegen die medizinische Vernunft transferiert werden (Stichwort: Risiko hoher Mehrlingsschwangerschaften!)?
Anmerkung 2: In seinem Urteil vom 17.02.2010 lässt das BSG nun eine Ausnahme zu, nämlich wenn eine andere Grunderkrankung vorliegt und die Kryo-Maßnahme mit der Behandlung dieser anderen Krankheit zusammenhängt, die zur Sterilität geführt hat oder führen könnte (siehe Artikel Kryokosten II auf dieser Seite!)!
Kryokosten II – Kassenleistung wenn Behandlung einer „Grunderkrankung“ (hier: Strahlentherapie, Konservierung + Reimplantation von Eierstockgewebe) – zur Abgrenzung § 27 / § 27 a SGB V
Kryokosten gehören nach derzeit herrschender Rechtsauffassung der Sozialgerichte nicht zum Leistungsumfang der Kassen wenn sie im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung stehen, § 27 a SGB V (vgl. weiterer Artikel auf dieser Seite: Kryokosten I).
Etwas anderes gilt aber nach dem Urteil des BSG vom 17.02.2010 dann, wenn die Kroykonservierung im Zusammenhang mit einer anderen Krankheit steht und der späteren Wiederherstellung der natürlichen Empfängnisfähigkeit dient. Das BSG spricht von „Grunderkrankung“. Wenn