Kategorie: Private Krankenversicherungen, bzw Krankenkassen und deren Bedingungen zu Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung und IVF-Behandlungen
Polkörperdiagnostik – PKD bei weiblichem Gendefekt ist Versicherungsfall (Urteil LG Köln 3.9.2014)
PKV muss Kosten für Polkörperdiagnostik (PKD) übernehmen:
Die Klägerin verlangte von ihrer Krankenversicherung die Erstattung von Kosten einer künstlichen Befruchtung (IVF/ICSI – Behandlung) in Verbindung mit einer Polkörperdiagnostik (PKD). Die Beklagte wollte die Kosten der Behandlung nicht übernehmen. Die Klägerin ist Trägerin einer Gen-Mutation, die bei ihr auch manifest wurde in Form des Gorlin-Goltz-Syndroms. Es bestand das Risiko, dass dieser Gendefekt der Klägerin an ihre Nachkommen weiter vererbt wird. Mittels PKD lässt sich das Erbmaterial von Eizellen schon im Stadium der anfänglichen Zellteilungen, aber noch vor der Befruchtung, untersuchen und der Gendefekt aufspüren. So können gesunde von erbkranken Eizellen unterschieden werden. Die Behandlung ist wissenschaftlich etabliert und international anerkannt. Mit PKD lassen sich allerdings nur Gendefekte an der Eizelle, also auf weiblicher Seite, identifizieren, nicht aber männliche. Für letztere stünde übrigens das sogenannte PID – Verfahren (Präimplantationsdiagnostik) zur Verfügung. Das Landgericht Köln verurteilte die Krankenversicherung zur Zahlung.
Infos, Überblick – Kostenübernahme IVF:
Hier finden Sie in Kurzform Infos rund um das Thema „IVF, Kinderwunschbehandlung – Kostenübernahme für Sterilitätsbehandlung“ nach den unterschiedlichen Versicherungsbereichen:
- PKV
- GKV
- Beamte – Beihilfe, öffentlicher Dienst
- Soldaten, Polizisten beim Bundesgrenzschutz – Truppenärztliche Versorgung, Heilfürsorge
Bitte beachten Sie, dass jeder Fall anders liegen kann und daher verallgemeinerte Aussagen nicht oder jedenfalls nicht „1 : 1“ übertragbar sind. Individuelle anwaltliche Beratung durch einen Spezialisten ist daher im streitigen Einzelfall unverzichtbar! – Das gilt ganz besonders für Fälle, die „nicht ins Schema passen“ oder komplizierte Ausgangskonstellationen haben – z. B.:
- Problemfälle – unterschiedlicher Versicherungsstatus innerhalb des Paars
- Probelmfälle – beidseitige oder unklare Sterilitätsursachen innerhalb des Paars oder streitige Gewichtung der männlichen und weiblichen Ursachenanteile der Paarsterilität
Leistungsrecht PKV – zu den Ansprüchen für IVF in der privaten Krankenversicherung (PKV)
Die Rechtsgrundlagen für den Versicherungsfall im privaten Krankenversicherungsrecht ergeben sich aus dem VVG (Versicherungsvertragsgesetz) und den jeweiligen AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen) der Versicherung. Diese bestehen meist aus Teil I (entspricht oft den Musterbedingungen MB/KK) und Teil II (Tarife). Die Tarifbedingungen können, müssen aber nicht, spezielle Regelungen zu einzelnen Versicherungsfällen, z.B. zur künstlichen Befruchtung, enthalten.
Neuerdings bauen einige Versicherer in ihre Tarifbedingungen Leistungsbeschränkungen oder gar Leistungsausschlüsse zur künstlichen Befruchtung ein. Diese sind „im Kleingedruckten versteckt“! Also Vorsicht – insbesondere beim Neuabschluss oder der Änderung eines Vertrages! Die Unterschiede zwischen einzelnen Versicherern oder einzelnen Tarifen können gravierend sein!
Der Versicherungsfall wird in den Musterbedingungen (MB/KK ) allgemein definiert wie folgt:
„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“.
Die Voraussetzungen für den Versicherungsfall in der PKV sind nach der Rechtssprechung:
- Vorliegen einer Krankheit
- Krankheit der versicherten Person (Verursacherprinzip in der PKV!)
- Heilbehandlung der Krankheit
- Notwendigkeit der Heilbehandlung (u.a. Erfolgsaussichten der Sterilitätsbehandlung!)
Einzelheiten sind in der PKV – im Gegensatz zur Rechtslage in der GKV, § 27 a SGB V – nicht normiert. Das hat zur Folge, dass in der PKV ein weit größerer Rahmen für Diskussionen bei der Leistungsgewährung oder beim Leistungsumfang eröffnet ist. Im streitigen Einzelfall müssen die Zivilgerichte den konkreten Versicherungsfall – meist unter Einholung eines sterilitätsmedizinischen Gutachtens nach Aktenlage – dem Grunde und dem Umfang nach beurteilen.
Unterschiede zur GKV: In der PKV gelten keine strikten Altersgrenzen, keine strikte Versuchszahl und auch nicht der Ehevorbehalt (Voraussetzung der Verheiratung – derzeit aber noch strittig!). Für die PKV gilt das Verursacherprinzip. Ein Risikoausschluss zu Sterilitätserkrankungen und Kinderwunschbehandlungen kann im Einzelfall tariflich oder einzelvertraglich bestehen; das ist stets vorab zu prüfen!
Prozess: Dafür sind die Zivilgerichte (1. Instanz: Amtsgericht oder Landgericht, je nach Streitwert der Klage) zuständig. Bei einem Obsiegen im Prozess muss im Regelfall der unterlegene Gegner die Kosten des Prozesses tragen.
Empfehlung: Gerade für den Bereich der PKV ist es daher dringend angeraten, bei Leistungsablehnung oder auch –verzögerung frühzeitig die Hilfe eines hier spezialisierten Anwalts in Anspruch zu nehmen. Bisweilen taktieren die Versicherer nach unseren Erfahrungen mit Hilfe langwieriger Korrespondenz und spielen auf Zeit, um dann den „Alterseinwand“ (mangelnde Erfolgsaussichten der Behandlung, insbesondere bei älteren Frauen) zu erheben.
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Verursacherprinzip in der PKV I – Sterilitätsursachen bei beiden Partnern: oft Beweisprobleme!
Bei “gemischten Sterilitätsursachen” des Paares (beide Partner sind jeweils fortpflanzungsbiologisch nicht völlig gesund) ergeben sich sehr oft Probleme aus dem Verursacherprinzip. Für die Versicherer ist diese Konstellation mitunter ein willkommener Anlass, ihre eigene Eintrittspflicht unter Hinweis auf die Krankheit des anderen Partners jeweils zu bestreiten. Die eine PKV verweist dann auf die andere PKV – und umgekehrt. Ergebnis: 2 Kranke – aber keine PKV, die leisten will.
Welche Voraussetzungen für den Nachweis des Versicherungsfalles in dieser speziellen Konstellation gelten, ist leider derzeit in der Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt und im Detail strittig. Die folgenden 2 Urteile des OLG München, die zueinander widersprüchlich sind, verdeutlichen dies. Beide Prozesse wurden von unserer Kanzlei geführt. – Der sicherste Weg in dieser Situation ist es daher, beide Versicherungen zu verklagen. Das ist aber natürlich aufwendig.
- Sterilitätsursachen bei beiden Ehepartnern: PKV der mit-kranken Frau ist auf jeden Fall eintrittspflichtig: In diesem Fall litten beide Ehepartner an Krankheiten, die zur Sterilität führen oder diese mit verursachen können; es ließ sich medizinisch nicht aufklären, ” an wem ” die ungewollte Kinderlosigkeit konkret und mit welchen Kausalitätsanteilen lag. Das OLG München (25 U 6476/97, Urteil vom 16.06.1998) nahm die PKV der Frau trotzdem in die Pflicht (der Mann war gesetzlich versichert).
- aber: PKV der Frau haftet nicht, wenn deren Krankheit und Krankheitsbeitrag nicht aufklärbar ist – selbst wenn Subfertilität des Mannes von geringem Gewicht ist und sie allein die Paarsterilität nicht erklären kann: Beim Mann (GKV) der Klägerin (PKV) lag eine mäßig ausgeprägte Subfertilität vor. Seine Krankheit alleine konnte nicht ausreichend die langjährige Kinderlosigkeit des Paares erklären. Im übrigen erschien der Mann fortpflanzungsmedizinisch gesund. Da dennoch das Paar kinderlos blieb, mussten weitere Sterilitätsursachen vorliegen, konnten aber nicht belegt werden. Unklar blieb auch, ob diese weiteren, unbekannten Sterilitätsursachen in der Person der Frau oder ihres Mannes vorlagen. Hier wies das OLG München (25 U 3379/04, Urteil vom 23.11.2004) unsere Klage für die Frau ab, da nicht feststand, dass wenigstens eine von mehreren, sicher sterilitätsrelevanten Krankheitsursachen in der Person der Frau lag.
Anmerkung: Im Urteil vom 23.11.2004 überspannt nach unserer Meinung das OLG München die Anforderungen an den Nachweis des Versicherungsfalles. Die Krankenversicherung dient nämlich der Heilbehandlung einer Krankheit und eine solche lag unstreitig – jedenfalls auf das Paar bezogen – vor. Sie dient aber nicht der theoretischen, wissenschaflichen Erforschung von Ursachenzusammenhängen unter mehreren Krankheitsfaktoren und deren Zusammenwirken.
Es liegt auch ein Widerspruch zu einem Urteil des OLG Nürnberg zur idiopathischen Sterilität vor (siehe weiteren Artikel auf dieser Seite)!
Verursacherprinzip in der PKV II – Sterilitätsursachen allein bei einem Partner des Paares
In der PKV gilt das sogenannte Verursacherprinzip (anders als bei der GKV = gesetzliche Krankenkassen). Das bedeutet, dass die PKV die Behandlungskosten nur dann und in dem Umfang übernimmt, wie sie durch eine Sterilitätsursache der bei ihr versicherten Person verursacht sind. Aus diesem Grundprinzip erklären sich die 3 folgenden Urteile:
Kranker Mann, kombinierte IVF- und ICSI-Behandlung = PKV muss Gesamtkosten der Kinderwunschbehandlung des kranken Mannes zahlen:
Eine kombinierte IVF- und ICSI-Behandlung wurde durchgeführt, weil der Mann an einer Infertilität (Unfruchtbarkeit) litt; seine Frau war dagegen gesund. In diesem Fall muss nach der Entscheidung des BGH (IV ZR 25/03, Urteil vom 03.03.2004) die Versicherung des kranken Mannes die gesamten Kosten der Kinderwunschbehandlung tragen, einschließlich der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen, die am Körper seiner (gesunden) Ehefrau zur Ermöglichung einer künstlichen Befruchtung nötig waren.
Damit hat über diese Konstellation erstmals der BGH entschieden und zwar mit dem gleichen Ergebnis wie bereits ca. 15 Jahre zuvor das LG Oldenburg in einem von unserer Kanzlei geführten Prozess (Urteil vom 08.05.1990, MDR 1990,927).
Gesunde Frau = ihre PKV ist nicht eintrittspflichtig :
Aus dem Verursacherprinzip folgt umgekehrt, dass die private Krankenversicherung einer gesunden Frau nicht für die Behandlungskosten einzutreten hat, wenn die Ursache für die Paarsterilität (allein) bei ihrem anderweitig versicherten Mann liegt (BGH IV ZR 58/97, Urteil vom 12.11.1997).
Das gilt selbst dann, wenn dieser Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist und seine Kasse wegen der dort abweichenden Rechtslage (§ 27 a SGB V, Behandlungsprinzip!) u. U. nur einen geringen Teil der Gesamtbehandlungskosten zu tragen hat!
Beihilferecht – Übernahme der kassenrechtlichen Höchstaltersgrenzen zulässig
Im Kassenrecht (gültig für Kassenpatienten) sieht § 27 a SGB V Höchstaltersgrenzen für die Kinderwunschbehandlung vor. Die inhaltsgleiche Übernahme dieser Regelung für (bayerische) Beamte, die in den Beihilfevorschriften erfolgt ist, kann nach dem Beschluss des Bay. VGH nicht beanstandet werden (14 ZB 06.1844, 19.09.2006).
Anmerkung: Für den Bereich der Privatversicherungen gibt es übrigens eine derart starre Altersgrenze nicht. Beamte, die über die Beihilfe abgesichert sind, werden insoweit also schlechter gestellt als Privatversicherte! Das Gericht will diese Ungleichbehandlung tolerieren.