Mit § 3a ESchG (Embryonenschutzgesetz) wurde Ende 2011 nunmehr gesetzlich PID unter strenger medizinischer Indikation erlaubt; und am 1.2.2014 trat die PIDV (Präimplantationsdiagnostikverordnung) in Kraft, die diverse Einzelheiten zur Ausführung regelt.

Was ist aber mit einer Kostenübernahme dieser Behandlung durch Krankenkassen etc.? – Diese Frage ist bis heute offen, jedenfalls nicht gesetzlich geregelt.

2803, 2021

PID – unter strengen Voraussetzungen erlaubt, aber oft auf eigene Kosten

By |März 28th, 2021|PID - aktuelle Rechtslage|Kommentare deaktiviert für PID – unter strengen Voraussetzungen erlaubt, aber oft auf eigene Kosten

PID kommt zur Anwendung, wenn ein Erbfehler bekannt ist, der für Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit hat. Zahlreiche verschiedene Gendefekte sind bekannt. Sie sind in der Gesamtbevölkerung selten.

PID (Präimplantationsdiagnostik) ist in Deutschland bei medizinischer Indikation unter strengen Voraussetzungen nunmehr gesetzlich ausdrücklich erlaubt, § 3a ESchG (Embryonenschutzgesetz); die Regelung gilt seit 8.12.2011. Vor der Behandlung muss ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission eingeholt werden. Nur wenige Zentren in Deutschland sind überhaupt für PID zugelassen. Die Einzelheiten sind in der PIDV (Präimplantationsdiagnostikverordnung) dazu geregelt; sie trat am 1.2.2014 in Kraft.

Manche Gendefekte wirken sich dahin aus, dass die Schwangerschaft mit einem erbkranken Embryo (meist) in einem Abort endet; andere führen zur Geburt von schwerstkranken oder auch todgeweihten Kindern mit geringer Lebenserwartung, bei manchen Krankheiten von wenigen Tagen oder Wochen.

Das Fatale an dem medizinischen Sachverhalt ist sein „Wiederholungspotenzial“: nach einer 1. derartigen Schwangerschaft kann sich – ohne medizinische Behandlung – wegen des Gendefektes das gleiche Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholen, immer wieder!

Jedoch: die Medizin bietet Behandlungsmethoden an.

Seit Langem kann mittels Pränataldiagnostik bei bestehender Schwangerschaft untersucht werden, ob der Embryo eine Erbkrankheit hat. Diese Behandlung wird bei entsprechender Indikation auch von den Kostenträgern übernommen. – Nachteil: sie ist erst ab ca. der 12. SW möglich, u.U. erst noch später. Sie ist außerdem nicht ohne Risiko für Mutter und Embryo. Und sie führt das Kinderwunschpaar zwangsläufig in den Entscheidungskonflikt: soll die Schwangerschaft (zu diesem späten Zeitpunkt) abgebrochen werden?

Diese Konfliktlage lässt sich mittels PID vermeiden!

PID ist nämlich eine Diagnostik gleich am Anfang, Stunden nach der künstlichen Befruchtung der Eizelle, und auch noch vor dem Transfer der Eizelle und deren Einnistung in der Gebärmutter.

PID ist also ein schonendes Verfahren.

410, 2011

PID ist nun endlich in BRD gesetzlich geregelt: in Ausnahmefällen zulässig, § 3 a ESchG + PIDV – doch wo bleibt die Kostenübernahme?

By |Oktober 4th, 2011|PID - aktuelle Rechtslage, Rechtslage|0 Comments

PID (Präimplantationsdiagnostik) ist nun endlich mit dem PräimpG (Präimplantationsdiagnostikgesetz) in der BRD gesetzlich geregelt (BGBl I 2011, 2228).  Anstoß war das BGH-Urteil vom 06.07.2010, das einen Berliner Arzt nach dessen Selbstanzeige vom strafrechtlichen Vorwurf eines Verstoßes gegen das ESchG (Embryonenschutzgesetz) freisprach. Damit tritt Rechtssicherheit für die – wenigen – betroffenen Elternpaare ein und ist künftig ein Umweg oder eine Flucht zur Behandlung ins europäische Ausland, das PID zuließ, nicht mehr nötig.

Mit dem PräimpG wurde in das (veraltete) ESchG von 1990 neu § 3a eingefügt, der in genetisch indizierten Einzelfällen PID zulässt. Die Regelung trat am 08.12.2011 in Kraft.

Eckpfeiler der Regelung sind:

  • PID ist grundsätzlich unzulässig und bei Strafe verboten
  • in Einzelfällen – bei entsprechender genetischer Indikation – ist PID aber nicht rechtswidrig und somit erlaubt
  • die Fälle erlaubter PID sind an die Einhaltung strenger Voraussetzungen in formaler, verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht geknüpft
  • kein Arzt und keine Frau können zur Vornahme einer PID gezwungen werden („Freiwilligkeitsklausel“).

Das Gesetz verlangt die Einhaltung folgender Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nicht rechtswidrige PID:

  • vorherige Beratung in medizinischer + psychosozialer Hinsicht
  • vorherige, schriftliche Einwilligung der Mutter
  • vorheriges positives Votum der zuständigen Ethikkommission
  • Durchführung der PID von einem hierfür geschulten Arzt
  • Durchführung der PID nur an einem hierfür lizensierten medizinischem Fachzentrum
  • Genetische Disposition mindestens eines Elternteils, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende Erbkrankheit bei Nachkommen auslöst oder schwerwiegende Schädigung des Embryos, die mit hoher  Wahrscheinlichkeit zu Totgeburt oder Fehlgeburt führt.

Weitere Einzelheiten insbesondere zum Verfahren, Einrichten der Ethikkommissionen und Zulassung von Behandlungszentren sind in einer Rechtsverordnung zu regeln – die nun auch vorliegt (BGBl. I 2013, 323 ff.) und am 1.2.2014 in Kraft trat: PIDV (Präimplantationsdiagnostikverordnung). Diese regelt in § 5, wer antragsberechtigt ist und welche Angaben der Antrag zur Ethikkommission enthalten muss.

Offen lässt das Gesetz, welche Krankheiten oder Dispositionen konkret die Behandlungsindikation auslösen; die Entscheidung im Einzelfall soll der Ethikkomission vorbehalten bleiben. Auch nennt das Gesetz nicht den Grad der Wahrscheinlichkeit. Man wird wohl von 25 – 50 % als Grenzwert ausgehen können.

Der Gesetzgeber und medizinische Experten gehen davon aus, dass pro Jahr hundert oder wenige hundert Paare hiervon betroffen sein könnten. Die Erfahrungen im europäischen Ausland, das PID schon zugelassen hat und praktiziert, zeigen, dass Ärzte und Patienten mit der Problematik verantwortungsvoll umgehen.

Mit der Neuregelung ist der merkwürdige Widerspruch in der rechtlichen und ethischen Bewertung der Präimplantationsdiagnostik und Pränataldiagostik zumindest teilweise aufgelöst: so war die Spätabtreibung bei medizinischer Indikaktion zweifelsfrei erlaubt während die Vermeidung einer Schwangerschaft mittels PID bezüglich schwer geschädigter Embryonen in Frage gestellt wurde.

Und wer trägt die Behandlungskosten?

607, 2010

BGH 06.07.2010: PID bei genetischen Risiken nicht strafbar – Präimplantationsdiagnostik verstößt in diesen Fällen nicht gegen ESchG! Jetzt neu: § 3a ESchG!

By |Juli 6th, 2010|PID - aktuelle Rechtslage, Rechtslage|0 Comments

Mit einem seit Langem strittigen Problem der Reproduktionsmedizin in Deutschland hatte sich der BGH im Rahmen eines Strafverfahrens auseinander zu setzen. Es ging um die Frage, ob im Zusammenhang mit IVF (künstlicher Befruchtung) Maßnahmen zur PID (Präimplantationsdiagnostik) bei Vorliegen elterlicher Genrisken zulässig sind oder gegen das ESchG (Embryonenschutzgesetz) verstoßen und sich der behandelnde Reproduktionsmediziner strafbar macht.

Der BGH hat bei genetischer Indikationslage keine Bedenken gegen PID:

Urteil vom 06.07.2010, AZ. 5 StR 386/09

PID ist demnach im Falle genetischer Risiken erlaubt und daher nicht nach dem ESchG strafbar!

Konkret ging es um mehrere IVF-Behandlungen bei verschiedenen Kinderwunschpaaren durch eine Berliner Kinderwunschpraxis, die im Prinzip immer die gleiche Ausgangsproblematik betrafen. Das kinderlose Paar konnte nur mit Hilfe künstlicher Befruchtung eine Schwangerschaft erreichen. Es bestand aber zugleich ein hohes Risiko, dass elterliche Gendefekte auf das Kind übertragen wurden. Dies konnte dazu führen, dass im Falle einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung manche (nicht alle!) Embryonen von diesen genetischen Fehlern und den daraus resultierenden Folgen (Abort, Totgeburt, kurze Lebenserwartung oder Schwerstbehinderung des Neugeborenen) befallen waren. In einem Fall drohte wegen männlicher Gendefekte das Risiko eines Down-Syndroms, in den anderen Fällen lagen eine unbalancierte Translokation bzw. eine partielle Trisomie 22 vor; ein Paar hatte schon einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich, ein anderes hatte ein schwerbehindertes Kind – und wünschte sich ein 2., gesundes Kind.

Ziel der PID-Behandlung war es, die übertragenen Gendefekte zu erkennen und für den Transfer nach der künstlichen Befruchtung nur die davon nicht betroffenen Blastozysten zu verwenden. Die Behandlung erfolgte in enger Absprache zwischen Arzt und Patienten. Untersucht wurden im Rahmen der PID nicht totipotente sondern „nur noch“ pluripotente Zellen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin und das Kammergericht Berlin waren der Auffassung, dass der Arzt deswegen gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1 ESchG verstoßen habe. Demnach sei es verboten und strafbar, eine Eizelle aus anderen Zwecken künstlich zu befruchten, als zu dem Ziel, bei der (gleichen) Frau eine Schwangerschaft zu erzielen. PID diene hier -wegen des Aussonderns der genetisch defekten Eizellen- anderen Zwecken, so das Kammergericht. Das LG Berlin hatte zuvor noch gegenteilig entschieden und den Arzt freigesprochen.

Der BGH kam nun wie zuvor das LG zu einem Freispruch in allen oben genannten Fällen. Der Wortlaut des ESchG gebe für ein Verbot der PID nichts her. Bei Erlass des ESchG habe der deutsche Gesetzgeber noch gar nicht an Maßnahmen der PID gedacht. Auch der Zweck des ESchG, Embryonen vor Missbrauch zu schützen, ist durch PID bei drohenden Gendefekten nicht verletzt. PID selbst schädige Embryonen nicht. Das Gesamtziel der Behandlung ist auf das Erreichen einer Schwangerschaft mit einem Kind, das nicht Träger des Gendefektes ist, gerichtet. Pränataldiagnostik (PND) sei schließlich auch – und dies völlig unstreitig – erlaubt und könne beim Erkennen eines Gendefekts des Embryos zu einem Spätabbruch der Schwangerschaft führen. Dies werde durch PID -da zeitlich früher liegend- vermieden.

In diesem BGH-Fall ging es nicht um „Designer-Babys“, also Wunschkinder mit gezielt gewählten Merkmalen wie Geschlecht oder Aussehen.

Das BGH-Urteil hat die Diskussion zu einer gesetzlichen Regelung angestoßen; am 8.12.2011 trat diese in Kraft: § 3 a ESchG (vgl. BGBl I 2011, 2228).

Anmerkungen:

Es darf erwartet werden, dass dieses Urteil auch auf das Leistungsrecht (IVF-Kostenübernahme) ausstrahlt. Denn bisher wird dort oft -insbesondere in Bereich der GKV (gesetzliche Krankenversicherung)- eine Kostentragung für PID, ja sogar schon für PKD (Polkörperdiagnostik) abgelehnt mit der Begründung, diese Zusatzmaßnahmen seien im Hinblick auf das ESchG verboten. – Dieses Argument ist nun nicht mehr haltbar –  jedenfalls für die Fälle, bei denen es um Gendefekte und das Risiko der Übertragung auf den Embryo geht.

Allerdings enthalten im Bereich der GKV die einschlägigen Richtlinien derzeit zu PKD und PID noch keine Regelungen.

Weltweit kamen bisher (Stand 2010) mehr als 10.000 gesunde Kinder nach IVF + PID zur Welt. In Deutschland wurde das Verfahren wegen der bisher ungeklärten Rechtslage nicht praktiziert.