Rechtsgrundlagen

Unter dieser Kategorie finden Sie Einträge von der Rechtshistorie über die aktuelle Rechtslage bishin zu Trends in der Rechtssprechung bei Kinderwunschfällen.

1909, 2012

Inhalt – aktuelle Rechtslage, IVF und Recht, news zu Einzelfragen und Übersichten

By |September 19th, 2012|Rechtsgrundlagen|0 Comments

Die unten gelisteten Artikel auf dieser Seiten sollen Ihnen einen groben Überblick verschaffen zur rechtlichen Einordnung diverser Rechtsfragen im Zusammenhang mit „IVF“ – künstliche Befruchtung, Reproduktionsmedizin.

Viele Einzelheiten zum Leistungsrecht und zum Steuerrecht (außergewöhnliche Belastung) finden Sie auf unseren einschlägigen Urteilsseiten! 

  • Europarecht / Österreich / Samen- und Eizellspende: Nationales, gesetzliches Verbot der Samenspende / Eizellspende bei IVF nicht menschenrechtswidrig – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte zum FortpflanzungsmedizinG Österreich  lesen
  • BRD / PID: PID endlich in BRD gesetzlich geregelt – in Ausnahmen zulässig: § 3 a ESchG  lesen
  • BGH als Vorreiter für Gesetz zur PID (Urteil  06.07.2010): PID bei genetischen Risiken nicht strafbar – Präimplantationsdiagnostik verstößt in diesen Fällen nicht gegen ESchG! Jetzt neu: § 3a ESchG!  lesen
  • Zum deutschen Leistungsrecht für IVF: die verschiedenen Rechtsbereiche – Überblick  lesen
  • Häufige Streitfragen zum aktuellen Leistungsrecht bei IVF – eine kleine Auswahl von streitigen Rechtsfragen  lesen
  • Problemfälle im IVF-Leistungsrecht  lesen
  • Überblick GKV – zum Leistungsrecht in der gesetzlichen Krankenversicherung  lesen
  • Überblick PKV  lesen
  • Überblick Beihilferecht lesen
  • Überblick Leistungsrecht IVF für Soldaten und Soldatinnen, Polizisten beim Bundesgrenzschutz    lesen
906, 2012

Inhalt – IVF, Rechtshistorie und Trends

By |Juni 9th, 2012|Rechtsgrundlagen|0 Comments

  • IVF und Leistungsrecht – Rechtshistorie, Trends  lesen
  • Kinderwunschbehandlung in der GKV – bald bundesweit 75 % statt 50 % für Kassenpatienten?! Warum aber nicht 100%?  lesen
  • Kassenpatienten / GKV (gesetzliche Krankenversicherung)  lesen
  • Privatpatienten / PKV (Private Krankenversicherung)  lesen
  • Beamte / Beihilfe des Bundes bzw. der Länder  lesen
905, 2012

IVF und Leistungsrecht – Rechtshistorie, Trends

By |Mai 9th, 2012|Rechtshistorie, Trends|0 Comments

IVF – Historie: zur Entwicklung der Gesetzeslage und der Rechtsprechung:

Anfangs musste die rechtliche Anerkennung der IFV-Behandlung als Versicherungs- bzw. Leistungsfall erst grundsätzlich erkämpft werden. 

Die neue medizinische Methode wurde nämlich von GKV und PKV als Leistungsfall abgelehnt – ein häufiges Phänomen, wenn strikt traditionalistische Rechtsinterpretation auf praktischen Wissenschaftsfortschritt trifft! Das Ringen um die Anerkennung der neuen Methode dauerte einige Jahre. Am Ende dieses juristischen Grundsatzstreits wurde die IVF als Versicherungsfall in der GKV und PKV durch Urteile der jeweils zuständigen obersten Bundesgerichte anerkannt: nämlich 1985 durch das BSG (Bundessozialgericht) für die GKV und den BGH (Bundesgerichtshof) 1986 für die PKV.

Nach dem Sieg vor den Gerichten setzte plötzlich eine Gegenreaktion ein, um „das Rad wieder zurückzudrehen” mit dem Ziel, die IVF-Behandlung als Versicherungsfall mittels Gesetz wieder abzuschaffen.

Besonders unrühmlich hat sich dabei der Sozialgesetzgeber selbst verhalten: zum 1.1.1989 schaffte er tatsächlich die IVF-Behandlung als Leistungsfall in der GKV per Gesetz ab! Die zuvor günstigen Urteile der Soziagerichte wurden ab sofort zur Makulatur.

Allerdings hatte dieses Gesetz selbst nicht lange Bestand und wurde im Folgejahr wieder aufgehoben – und zwar rückwirkend! Ein skandalöser Rechtszustand fand so ein rasches Ende; vorausgegangen war ein Proteststurm betroffener Patienten. 

Nachdem am Versicherungsfall nun nicht mehr zu rütteln war, folgten diverse Versuche, bei Leistungshöhe und Leistungsumfang für die Patienten schmerzhafte Einschnitte vorzunehmen. Diese waren -leider- erfolgreich, insbesondere in der GKV.

Das Ringen um die IVF und Leistungsbeschneidungen setzt sich auch heute fort, wenn z.B. die Krankenkassen derzeit IVF-Behandlungen nur noch zu 50 % für maximal 3 Behandlungen finanzieren und Privatversicherungen versucht haben, den Versicherungsfall auf 1 Kind zu begrenzen. Merkwürdig und objektiv unverständlich ist, warum gerade gegenüber dieser Krankheit und ihrer sterilitätsmedizinischen Behandlung eine derartige Reserviertheit bestand – und immer noch besteht.

In den folgenden Artikeln auf dieser Seite finden Sie Details zur Rechtshistorie in den unterschiedlichen Versicherungsbereichen

 PKV, GKV und Beihilfe.

2204, 2012

Kinderwunschbehandlung in der GKV – bald bundesweit 75 % statt 50 % für Kassenpatienten?! Warum aber nicht 100% wie früher?

By |April 22nd, 2012|Rechtshistorie, Trends|0 Comments

Derzeit wird in der gesetzlichen Krankenversicherung (PKV) leider nur ein Anteil von 50 % der Behandlungskosten für eine Kinderwunschbehandlung von den Krankenkassen geleistet. Das ist so seit 1.1.2004 mit dem in Kraft Treten des damaligen GMG; die Einzelheiten sind in § 27 a SGB V geregelt.

Für finanzschwache Kinderwunschpaare ist die derzeitige Regelung eine große Hürde, können sie doch die finanziellen Belastungen oft kaum oder nicht tragen. Kein Wunder, dass die Kinderwunschbehandlungen seit 2004 stark zurück gegangen sind und somit für immer mehr Paare, die ungewollt kinderlos sind, die IVF-Behandlung nur noch in der Theorie existiert.

Das soll und könnte sich bald ändern! Eine gesetzliche Neuregelung nimmt z.Z. konkrete Formen an und soll im Sommer 2012 im Bundestag zur Abstimmung kommen. Demnach ist vorgesehen, dass immerhin 75 % der Kosten – statt derzeit 50 % – übernommen werden; zum unveränderten Kassenanteil von 50 % sollen weitere 25 % mit Hilfe eines Bundeszuschusses finanziert werden. Damit kämen bundesweit alle Krankenkassenpatienten in den Genuss einer 75 %igen Erstattung bei Kinderwunschbehandlungen. Derzeit gibt es den 25 % Zuschuss vereinzelt auf Länderebene (z.B. Sachsen).

Das bedeutet zwar keine vollständige Rückkehr zu „guten alten Zeiten“ mit einer Kostenerstattung von damals 100 % durch die Krankenkassen, aber immerhin eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Stand mit nur 50 % Erstattung.

Näheres zum Kinderwunschförderungsgesetz hier:  KiwunschG

50 % + 25 % = 75 %.

Allerdings bleibt Kritik: warum kehrt der Gesetzgeber nicht zur früheren Rechtslage (gültig bis 31.12.2003!) zurück, also zur Kostenerstattung mit 100 %

Leider stagniert aber die gesetzliche Neuregelung!

Einige Krankenkassen behelfen sich in der unbefriedigenden Situation damit, dass sie ihren Mitgliedern „Extras“ für Kinderwunschbehandlungen gewähren (z.B. 75 %), die über den heute gültigen gesetzlichen Mindestumfang hinaus gehen. Solange das so ist, lohnt sich also u.U. ein Kassenvergleich! 

2301, 2012

Nationales, gesetzliches Verbot der Samenspende / Eizellspende bei IVF nicht menschenrechtswidrig – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte zum FortpflanzungsmedizinG Österreich

By |Januar 23rd, 2012|Rechtslage|0 Comments

Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) war das Österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz (ÖstFMedG) auf dem Prüfstand. Der EGMR entschied (Urteil vom 03.11.2011, Az. 57813/00), dass das dortige, nationale Verbot einer IVF-Behandlung mit gespendeten Gameten (Samen oder Eizellen) Dritter nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoße und daher wirksam sei – jedenfalls derzeit. Zuvor hatte bereits der Österreichische Verfassungsgerichtshof  (ÖstVerfGH) im Ergebnis genauso geurteilt (Urteil vom 14.10.1999).

Dem lag folgender Sachverhat zu Grunde:

Die Beschwerdeführer (2 österreichische Ehepaare) konnten krankheitsbedingt nicht spontan schwanger werden. Aber auch eine künstliche Befruchtung (IVF-Behandlung) alleine, jeweils mit Samen und Eizellen innerhalb des Paares, versprach wegen der vorliegenden Krankheitsbilder keinen Erfolg. In einem Fall bedurfte es einer Kombination aus künstlicher Befruchtung und Samenspende, im anderen Fall aus IVF und Eizellspende. Allerdings verbietet die Rechtslage in Österreich im Zusammenhang mit einer IVF-Behandlung die Gametenspende durch Dritte. Dagegen wandten sich die Beschwerdeführer zunächst vor den nationalen Gerichten in Österreich – erfolglos.

Die anschließende Beschwerde in Straßburg beim EGMR blieb gleichfalls erfolglos, u.a. aus folgenden Erwägungen des EGMR.

Zwar könne das gesetzliche Verbot in Österreich das Menschenrecht aus Art. 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens) berühren. Jedoch habe sich unter den Konventionsstaaten bisher keine eindeutige und einheitliche Meinung zum Thema Samenspende und Eizellspende gebildet. Die Frage sei in der österreichischen Öffentlichkeit damals völlig kontovers diskutiert worden und moralisch wie gesellschaftlich schwierig zu beantworten. Die Erwägung vor Missbrauch der IVF-Technik zu schützen, sei beachtlich. Das ÖstFMedG suche einen Ausgleich der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen, wie bespielsweise Kinderwunsch des Paares (neben Adoptionsmöglichkeit), Gestaltung eindeutiger Abstammungs- und Beziehungsverhältnisse, Kindeswohl (Kenntnis der Abstammung des Kindes und anonymer Drittspender) etc.  – Vor diesem Hintergrund habe der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum, der hier durch das ÖstFMedG eingehalten sei. Zwar hätte Österreich im Lichte der EMRK die Gametenspende auch anders regeln, also zulassen können, wie einige andere europäischen Länder – aber nicht müssen. Beide gesetzlichen Gestaltungen (Verbot oder Erlaubnis) sind derzeit im Einklang mit der EMRK.

Allerdings gab der EGMR dem österreichischen Gesetzgeber mit auf den Weg, die Entwicklung in Zukunft ständig im Auge zu behalten! Die Entscheidung basiert auf den damaligen Verhältnissen, also 1999. Aktuelle Entwicklungen müssten ständig überprüft werden und könnten u.U. Anlass sein, die Streitfrage neu zu bewerten.

410, 2011

PID ist nun endlich in BRD gesetzlich geregelt: in Ausnahmefällen zulässig, § 3 a ESchG + PIDV – doch wo bleibt die Kostenübernahme?

By |Oktober 4th, 2011|PID - aktuelle Rechtslage, Rechtslage|0 Comments

PID (Präimplantationsdiagnostik) ist nun endlich mit dem PräimpG (Präimplantationsdiagnostikgesetz) in der BRD gesetzlich geregelt (BGBl I 2011, 2228).  Anstoß war das BGH-Urteil vom 06.07.2010, das einen Berliner Arzt nach dessen Selbstanzeige vom strafrechtlichen Vorwurf eines Verstoßes gegen das ESchG (Embryonenschutzgesetz) freisprach. Damit tritt Rechtssicherheit für die – wenigen – betroffenen Elternpaare ein und ist künftig ein Umweg oder eine Flucht zur Behandlung ins europäische Ausland, das PID zuließ, nicht mehr nötig.

Mit dem PräimpG wurde in das (veraltete) ESchG von 1990 neu § 3a eingefügt, der in genetisch indizierten Einzelfällen PID zulässt. Die Regelung trat am 08.12.2011 in Kraft.

Eckpfeiler der Regelung sind:

  • PID ist grundsätzlich unzulässig und bei Strafe verboten
  • in Einzelfällen – bei entsprechender genetischer Indikation – ist PID aber nicht rechtswidrig und somit erlaubt
  • die Fälle erlaubter PID sind an die Einhaltung strenger Voraussetzungen in formaler, verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht geknüpft
  • kein Arzt und keine Frau können zur Vornahme einer PID gezwungen werden („Freiwilligkeitsklausel“).

Das Gesetz verlangt die Einhaltung folgender Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nicht rechtswidrige PID:

  • vorherige Beratung in medizinischer + psychosozialer Hinsicht
  • vorherige, schriftliche Einwilligung der Mutter
  • vorheriges positives Votum der zuständigen Ethikkommission
  • Durchführung der PID von einem hierfür geschulten Arzt
  • Durchführung der PID nur an einem hierfür lizensierten medizinischem Fachzentrum
  • Genetische Disposition mindestens eines Elternteils, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende Erbkrankheit bei Nachkommen auslöst oder schwerwiegende Schädigung des Embryos, die mit hoher  Wahrscheinlichkeit zu Totgeburt oder Fehlgeburt führt.

Weitere Einzelheiten insbesondere zum Verfahren, Einrichten der Ethikkommissionen und Zulassung von Behandlungszentren sind in einer Rechtsverordnung zu regeln – die nun auch vorliegt (BGBl. I 2013, 323 ff.) und am 1.2.2014 in Kraft trat: PIDV (Präimplantationsdiagnostikverordnung). Diese regelt in § 5, wer antragsberechtigt ist und welche Angaben der Antrag zur Ethikkommission enthalten muss.

Offen lässt das Gesetz, welche Krankheiten oder Dispositionen konkret die Behandlungsindikation auslösen; die Entscheidung im Einzelfall soll der Ethikkomission vorbehalten bleiben. Auch nennt das Gesetz nicht den Grad der Wahrscheinlichkeit. Man wird wohl von 25 – 50 % als Grenzwert ausgehen können.

Der Gesetzgeber und medizinische Experten gehen davon aus, dass pro Jahr hundert oder wenige hundert Paare hiervon betroffen sein könnten. Die Erfahrungen im europäischen Ausland, das PID schon zugelassen hat und praktiziert, zeigen, dass Ärzte und Patienten mit der Problematik verantwortungsvoll umgehen.

Mit der Neuregelung ist der merkwürdige Widerspruch in der rechtlichen und ethischen Bewertung der Präimplantationsdiagnostik und Pränataldiagostik zumindest teilweise aufgelöst: so war die Spätabtreibung bei medizinischer Indikaktion zweifelsfrei erlaubt während die Vermeidung einer Schwangerschaft mittels PID bezüglich schwer geschädigter Embryonen in Frage gestellt wurde.

Und wer trägt die Behandlungskosten?

607, 2010

BGH 06.07.2010: PID bei genetischen Risiken nicht strafbar – Präimplantationsdiagnostik verstößt in diesen Fällen nicht gegen ESchG! Jetzt neu: § 3a ESchG!

By |Juli 6th, 2010|PID - aktuelle Rechtslage, Rechtslage|0 Comments

Mit einem seit Langem strittigen Problem der Reproduktionsmedizin in Deutschland hatte sich der BGH im Rahmen eines Strafverfahrens auseinander zu setzen. Es ging um die Frage, ob im Zusammenhang mit IVF (künstlicher Befruchtung) Maßnahmen zur PID (Präimplantationsdiagnostik) bei Vorliegen elterlicher Genrisken zulässig sind oder gegen das ESchG (Embryonenschutzgesetz) verstoßen und sich der behandelnde Reproduktionsmediziner strafbar macht.

Der BGH hat bei genetischer Indikationslage keine Bedenken gegen PID:

Urteil vom 06.07.2010, AZ. 5 StR 386/09

PID ist demnach im Falle genetischer Risiken erlaubt und daher nicht nach dem ESchG strafbar!

Konkret ging es um mehrere IVF-Behandlungen bei verschiedenen Kinderwunschpaaren durch eine Berliner Kinderwunschpraxis, die im Prinzip immer die gleiche Ausgangsproblematik betrafen. Das kinderlose Paar konnte nur mit Hilfe künstlicher Befruchtung eine Schwangerschaft erreichen. Es bestand aber zugleich ein hohes Risiko, dass elterliche Gendefekte auf das Kind übertragen wurden. Dies konnte dazu führen, dass im Falle einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung manche (nicht alle!) Embryonen von diesen genetischen Fehlern und den daraus resultierenden Folgen (Abort, Totgeburt, kurze Lebenserwartung oder Schwerstbehinderung des Neugeborenen) befallen waren. In einem Fall drohte wegen männlicher Gendefekte das Risiko eines Down-Syndroms, in den anderen Fällen lagen eine unbalancierte Translokation bzw. eine partielle Trisomie 22 vor; ein Paar hatte schon einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich, ein anderes hatte ein schwerbehindertes Kind – und wünschte sich ein 2., gesundes Kind.

Ziel der PID-Behandlung war es, die übertragenen Gendefekte zu erkennen und für den Transfer nach der künstlichen Befruchtung nur die davon nicht betroffenen Blastozysten zu verwenden. Die Behandlung erfolgte in enger Absprache zwischen Arzt und Patienten. Untersucht wurden im Rahmen der PID nicht totipotente sondern „nur noch“ pluripotente Zellen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin und das Kammergericht Berlin waren der Auffassung, dass der Arzt deswegen gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1 ESchG verstoßen habe. Demnach sei es verboten und strafbar, eine Eizelle aus anderen Zwecken künstlich zu befruchten, als zu dem Ziel, bei der (gleichen) Frau eine Schwangerschaft zu erzielen. PID diene hier -wegen des Aussonderns der genetisch defekten Eizellen- anderen Zwecken, so das Kammergericht. Das LG Berlin hatte zuvor noch gegenteilig entschieden und den Arzt freigesprochen.

Der BGH kam nun wie zuvor das LG zu einem Freispruch in allen oben genannten Fällen. Der Wortlaut des ESchG gebe für ein Verbot der PID nichts her. Bei Erlass des ESchG habe der deutsche Gesetzgeber noch gar nicht an Maßnahmen der PID gedacht. Auch der Zweck des ESchG, Embryonen vor Missbrauch zu schützen, ist durch PID bei drohenden Gendefekten nicht verletzt. PID selbst schädige Embryonen nicht. Das Gesamtziel der Behandlung ist auf das Erreichen einer Schwangerschaft mit einem Kind, das nicht Träger des Gendefektes ist, gerichtet. Pränataldiagnostik (PND) sei schließlich auch – und dies völlig unstreitig – erlaubt und könne beim Erkennen eines Gendefekts des Embryos zu einem Spätabbruch der Schwangerschaft führen. Dies werde durch PID -da zeitlich früher liegend- vermieden.

In diesem BGH-Fall ging es nicht um „Designer-Babys“, also Wunschkinder mit gezielt gewählten Merkmalen wie Geschlecht oder Aussehen.

Das BGH-Urteil hat die Diskussion zu einer gesetzlichen Regelung angestoßen; am 8.12.2011 trat diese in Kraft: § 3 a ESchG (vgl. BGBl I 2011, 2228).

Anmerkungen:

Es darf erwartet werden, dass dieses Urteil auch auf das Leistungsrecht (IVF-Kostenübernahme) ausstrahlt. Denn bisher wird dort oft -insbesondere in Bereich der GKV (gesetzliche Krankenversicherung)- eine Kostentragung für PID, ja sogar schon für PKD (Polkörperdiagnostik) abgelehnt mit der Begründung, diese Zusatzmaßnahmen seien im Hinblick auf das ESchG verboten. – Dieses Argument ist nun nicht mehr haltbar –  jedenfalls für die Fälle, bei denen es um Gendefekte und das Risiko der Übertragung auf den Embryo geht.

Allerdings enthalten im Bereich der GKV die einschlägigen Richtlinien derzeit zu PKD und PID noch keine Regelungen.

Weltweit kamen bisher (Stand 2010) mehr als 10.000 gesunde Kinder nach IVF + PID zur Welt. In Deutschland wurde das Verfahren wegen der bisher ungeklärten Rechtslage nicht praktiziert.

107, 2010

Zum deutschen Leistungsrecht bei IVF : die verschiedenen Rechtsbereiche im Überblick

By |Juli 1st, 2010|Rechtslage|0 Comments

Es gibt nicht die Krankenversicherung sondern verschiedene Versicherungsarten:

  • GKV: Kassenpatienten und ihre gesetzlichen Krankenkassen (AOK, BKK und Ersatzkassen)
  • PKV: Privatpatienten und ihre Privatversicherungen
  • Beihilfe: Beihilfe des Bundes und der Länder und ihre Beamten, Beihilfeberechtigte im öffentlichen Dienst
  • Heilfürsorge: Soldaten und Soldatinnen, Polizisten beim Bundesgrenzschutz und ihre (truppen)ärztliche Versorgung.

Entsprechend unterschiedlich sind die Rechtsgrundlagen für das Leistungsrecht der IVF-Behandlung:

  • GKV: § 27 a SGB V (Sozialgesetzbuch 5. Buch), Richtlinien gem. § 92 SGB V
  • PKV: VVG (Versicherungsvertragsgesetz), AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen) der jeweiligen Versicherung incl. Tarifbedingungen
  • Beihilfe: Beihilfeverordnungen des Bundes und der Bundesländer
  • Heilfürsorge: SG (Soldatengesetz), BBesG (Bundesbesoldungsgesetz),  allgemeine Verwaltungsvorschriften

Das Leistungsrecht in den einzelnen Versicherungszweigen – GKV, PKV, Beihilfe und Heilfürsorge – weist zum Teil gravierende Unterschiede auf!

Die reproduktionsmedizinische Behandlung und Einzelheiten ihrer Durchführung unterliegen -insbesondere aus Sicht des Arztes- den Vorschriften der ärztlichen Berufsordnungen, § 121 a SGB V (kassenrechtliche Zulassung für künstliche Befruchtung bei Kassenpatienten) und dem ESchG (Embryonenschutzgesetz). Letzteres setzt insbesondere aus rechtsethischen Gründen Schranken für strittige Behandlungsvarianten (z.B. Eizellspende); im (europäischen) Ausland bestehen z.T. aber starke Abweichungen gegenüber der deutschen Rechtslage.

Weitere Artikel auf dieser Seite:

  • Übersicht zu häufigen Fragen zum IVF-Leistungsrecht
  • die  Leistungsbereiche im Einzelnen (GKV, PKV, Beihilfe, Heilfürsorge)
903, 2010

Leistungrecht zur IVF – eine kleine Auswahl häufiger Streitthemen

By |März 9th, 2010|Rechtslage|0 Comments

  • Kostenübernahme für 2. (weiteres) Kind:
    • GKV: ja, § 27 a SGB V
    • PKV: ja, BGH-Urteil vom 21.09.2005
  • Quasi heterologe Behandlung (keine Drittspende, Paar aber nicht verheiratet):
    • GKV: nein, kein Anspruch (Ehevorbehalt bestätigt von Bundesverfassungsgericht,  Urteil 28.02.07)
    • PKV: Instanzgerichte wohl mehrheitlich ja, noch strittig,  BGH-Urteil steht noch aus
  • Heterologe Behandlung Eizellspende oder Samenspende Dritter:
    • kein Leistungsanspruch
    • Eizellspende anderer Frau unzulässig in BRD; Behandlung für Arzt strafbar!
    • Samenspende anderen Mannes unter engen Voraussetzungen zulässig (bei Infertilität des Mannes eines Ehepaares) – rechtsethisch dennoch problematisch! Große Folgeprobleme bezüglich Erbrecht, Unterhaltsrecht und Abstammungsrecht des Kindes. Bedenklich bezüglich Kindeswohl!
      Süddeutsche Zeitung vom 17.12.07
      “Auf der Suche nach dem Ich”

      Identitätsprobleme der Kinder von anonymen Samenspendern
  • Altersgrenzen:
    • GKV: im Gesetz geregelt, § 27 a SGB V
    • PKV: in AVB meist nicht geregelt; häufiger Einwand der Versicherer bei zunehmendem Alter: zu geringe Erfolgsaussichten der IVF-Behandlung

Weitere Einzelheiten:

  • in den folgenden Artikeln auf dieser Seite, geordnet nach den verschiedenen Versicherungsbereichen GKV, PKV, Beihilfe, Heilfürsorge
  • in unserer Urteilssammlung

 

2402, 2010

Problemfälle im IVF – Leistungsrecht – einige Beispiele

By |Februar 24th, 2010|Rechtslage|0 Comments

In einigen Konstellationen ist die Rechtslage äußerst kompliziert. Es drohen Leistungs- und Versicherungslücken. Hier ist es erforderlich, frühzeitig einen spezialisierten Anwalt einzuschalten. Beispiele für solche Problemfälle:

  • unterschiedlicher Versicherungsstatus innerhalb des Paares
  • Krankheitsursachen bei beiden Partnern und deren Gewichtung

Gemischt-versicherte Paare: Treffen z.B. GKV und PKV innerhalb des Paares (das Paar ist „gemischt-versichert“) aufeinander, so treffen 2 unterschiedliche Systeme (Behandlungs- oder Körperprinzip der GKV – Verursacherprinzip der PKV) aufeinander. Das führt zu Systembrüchen, im schlimmsten Fall verursachen diese Leistungslücken!  – Eine generelle Darstellung  aller denkbarer Varianten ist wegen der Kompliziertheit und Vielfältigkeit der Konstellationen hier nicht möglich.

Beiderseitige Sterilitätsursachen: Bei einem einheitlich PKV-versicherten, aber beidseitig sterilitätskranken Paar verweigern die Versicherer (und zwar beide) nach unserer Erfahrung häufig die Leistung. Denn für sie ist diese Situation ein „willkommener“ Anlass, die Krankheit ihres Versicherungsnehmers jeweils zu bagatellisieren und auf den anderen Partner und dessen sterilitätsverursachende Mit-Krankheit zu verweisen – und umgekehrt.

Empfehlung:  In derartigen „Problemfällen“ ist frühzeitige anwaltliche Beratung durch einen Spezialisten dringend angeraten! Die rechtliche Bewertung ist oftmals komplex und kompliziert, teilweise in der Rechtsprechung derzeit noch nicht umfassend geklärt oder strittig!

Die Aufbereitung der oft komplizierten medizinischen Befundlage -unter Berücksichtigung der rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen- kann hier von entscheidender Bedeutung sein! Hier ist eine Zusammenarbeit und Abstimmung Arzt / Anwalt erforderlich und zweckdienlich!

Mehr Info zum Thema?  Dann besuchen Sie bitte unsere einschlägigen Seiten Rechtsgrundlagen, Urteile!

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