Sachverhalt:

Die Provinzial Krankenversicherung wollte unserer Mandantin (geboren 1971) keine Versicherungsleistungen für eine kombinierte IVF/ICSI-Behandlung, beginnend 2011, gewähren. Sie wandte ein, dass eine weibliche Sterilitätsursache nicht nachgewiesen sei und die Klägerin wegen einer beginnenden Ovarialinsuffizienz die nötige Erfolgsprognose von 15 % (Erreichen einer Schwangerschaft mittels IVF-Behandlung) verfehle.

Sonstige weibliche Einschränkungen lagen nicht vor bzw. waren nicht bekannt; die Spermiogramme lagen im Normbereich. Im Vorjahr (2010) war es zu einer spontanen Schwangerschaft, allerdings nur biochemisch nachgewiesen und von kurzer Dauer, gekommen.

Das Landgericht München verurteilte die Versicherung, unserer Mandantin die Kosten für den 1. Behandlungszyklus zu erstatten und zwar inklusive ICSI – Kostenteil. Eine kombinierte IVF/ICSI – Behandlung hat in einem derartigen Grenzfall nämlich eine höhere medizinische Erfolgsprognose als eine „einfache“ IVF – Behandlung.

Das Urteil des LG München II:

Das Gericht holte ein sterilitätsmedizinisches Sachverständigengutachten ein und erteilte im Grundsatz der Argumentation der PKV eine Absage. In Anlehnung an das Gutachten stellte das Gericht auf folgende Erwägungen ab.

Bei 40jährigen Frauen wird nach dem IVF-Register – also im statistischen Durchschnittsfall –  eine Erfolgsprognose von noch deutlich über 15 % bei einer IVF/ICSI-Behandlung erreicht (hier DIR 2010), wenn mehrere Eizellen für die Behandlung zur Verfügung stehen. Ungünstig sei zwar die beginnene Ovarialinsuffizienz der Klägerin, günstig hingegen der Umstand, dass zeitnah zuvor eine Schwangerschaft eingetreten war (wenn auch leider nicht dauerhaft).  Ein AMH-Wert von 0,4 liege eher am oberen Spektrum der beginnenden Ovarialinsuffizienz, da z.B. für 42 jährige Frauen mit beginnender Ovarialinsuffizienz die AMH-Werte im Bereich 0,1 – 0,4 liegen.

In der Summe bewertete das Gericht alle Umstände dahin, dass die Klägerin einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung im Alter von 40 Jahren hat.

Dabei sprach das Landgericht auch den Kostenteil der ICSI-Behandlung zu, obwohl die Spermiogramme im Normbereich lagen. Das Gericht sah aber in diesem Fall mit der Gerichtsgutachterin eine weibliche Indikation für die ICSI-Behndlung – und zwar aus folgendem Grund: nach dem IVF-Register ist die Erfolgswahrscheinlichkeit bei IVF+ICSI höher als bei IVF alleine. Da die Klägerin wegen der vorzeitigen Ovarialinsuffizienz hinsichtlich der Erfolgsprognose ein „Grenzfall“ war, war es medizinisch notwendig, die Behandlungschancen durch Hinzunehmen einer ICSI-Zusatzbehandlung zu steigern.

Für künftige Behandlungen lehnte das Gericht hingegen eine Kostenübernahme ab wegen des weiter fortschreitenden Alters in Verbindung mit der beginnenden Ovarialinsuffizienz und auch dem nicht günstigen Verlauf der 1. Behandlung (es konnte nur 1 Embryo transferiert werden und es kam zu keiner Schwangerschaft).

Anmerkung:

1.   Das Urteil ist rechtskräftig.

2.   Im Normalfall erfordert die Erstattung des ICSI-Kostenteils wegen des Verursacherprinzips eine männliche Krankheitsursache und richtet sich daher gegen die PKV des (kranken) Mannes. Diese Urteil zeigt, dass unter bestimmten medizinischen Umständen aber eine differenziertere Beurteilung nötig ist und eine Eintrittspflicht für den ICSI-Kostenteil auch seitens der „weiblichen PKV“ bestehen kann; allerdings bleibt dies auf Ausnahmen beschränkt!