Beihilfe (Hessen) für Kosten anlässlich Kryo-Behandlung von Eizellen zwecks PID wegen weiblichem Gendefekt (Robertsonsche Translokation 13/14) – Urteil des VG Gießen vom 14.12.2021):

Zum Sachverhalt:

Unsere Mandantin litt an einer genetischen Erkrankung; bei ihr lag eine sogenannte Robertsonsche Translokation 13 / 14 vor. In der Vorgeschichte hatte sie mehrere Aborte erlitten, da die Embryonen den Erbfehler trugen und nicht lebensfähig waren. Deswegen war im Rahmen einer PID (Präimplantationsdiagnostik) eine Trophektodermbiopsie (genetische Untersuchung an Blastozysten) medizinisch indiziert; diese Behandlungsmethode erfordert eine Kryokonservierung der Eizellen, deren Diagnostik und ggf. späteren Transfer der erbgesunden Eizellen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Die zuständige Ethikkommission hatte die Behandlung befürwortet.

Die Beihilfestelle des Landes Hessen trug zwar die Kosten der PID, wollte aber die Kosten der gleichfalls erforderlichen Kryokonservierung der Eizellen nicht übernehmen – zu unrecht, wie das Verwaltungsgericht Gießen auf unsere Klage entschied.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen:

Das Verwaltungsgericht befragte den behandelnden Arzt als Zeugen zum medizinischen Sachverhalt. Dieser beschrieb unter Hinweis auf die Erbkrankheit der Klägerin und die erlittenen Aborte die medizinische Indikation und Notwendigkeit einer PID-Behandlung mittels Trophektodermbiopsie an Blastozysten der Klägerin; damit können erbgesunde von erbkranken Eizellen unterschieden werden. Das Gericht hatte keinerlei Zweifel an der medizinischen Sachkunde der behandelnden Ärzte.

Eine Vielzahl der untersuchten Eizellen erwies sich als erbkrank; nur wenige trugen den Erbfehler nicht. Wäre es mit einer der erbkranken Eizellen zu einer Schwangerschaft gekommen, hätte der Klägerin ein neuerlicher Abort gedroht. Das medizinische Verfahren erforderte eine Kryokonservierung der Eizellen.

Daher sah das VG Gießen einen wesentlichen Unterschied zur Kryokonservierung „lediglich“ aus dem Anlass, vorsorglich einen Vorrat an Eizellen anzulegen ohne dass klar sei, ob die Eizellen für die aktuelle Behandlung benötigt werden oder nicht.

Das VG Gießen kam daher zu dem Ergebnis, dass in der PID-Behandlungssituation auch die Kosten der Kryokonservierung der Eizellen beihilfefähig sind.

Das Urteil vom Dezember 2021 ist rechtskräftig.

P. S.:

Die Behandlung führte auch zu einem medizinischen Erfolg! Es konnte eine Schwangerschaft mit einer erbgesunden Eizelle erzielt werden – und inzwischen wurde ein gesundes Kind geboren!