Gerne greifen die Versicherer isoliert einen geringen AMH-Wert aus den weiblichen Befunden heraus und wollen daraus die Bewertung ableiten, dass für die IVF-Behandlung deswegen keine günstige Erfolgsprognose (mehr) bestehe und sie daher für die Kosten der künstlichen Befruchtung nicht eintrittspflichtig sind. – Diese isolierte Betrachtung ist aber nicht zulässig und genügt weder den medizinischen noch den rechtlichen Vorgaben!

Der nachfolgende Fall betrifft eine IVF-Behandlung wegen weiblicher Krankheitsursachen (weibliche Indikation). Gleiches gilt aber auch im Falle einer IVF/ICSI-Behandlung bei männlicher Indikation (siehe dazu Artikel „AMH + Fertilität I“).

Sachverhalt:

In diesem Fall litt unsere Mandantin (geb. 1978) an einer Endometriose; der AMH-Wert war altersuntypisch sehr niedrig. Ihre PKV hatte noch die Kosten der 1. IVF-Behandlung (2012) getragen; dort waren nur relativ wenige Eizellen (3 punktiert, 2 befruchtet + transferiert) gewonnen worden. Deswegen bestritt die PKV für die weitere Behandlung (ab 2013) die hinreichende Erfolgsprognose.

Männliche Krankheitsursachen lagen hier nicht vor (anders der Fall AMH + Fertilität I, siehe gesonderter Artikel!) .

Das Urteil (LG Passau vom 31.1.14):

Den Einwand der PKV ließ das LG Passau nicht gelten.

Nach Einholung eines sterilitätsmedizinischen Gutachtens stand für das Gericht fest, dass die begehrte weitere Behandlung notwendig zur Behandlung der weiblichen Erkrankung war und die nötige Erfolgsprognose von 15 % pro Behandlungszyklus (Eintritt einer Schwangerschaft) erfüllt werde.

Der altersuntypisch sehr niedrige AMH-Wert dürfe nicht isoliert betrachtet werden, so das Landgericht. Bei einer derart jungen Patientin ergebe sich aus dem IVF-Register (DIR) eine statistische Erfolgsprognose von ca. 36 %. Es müsse der Gesamtbefund bewertet werden, der aus mehr besteht als dem isolierten AMH-Wert. Nach den Feststellungen der Gutachterin war eine Erfolgsprogose von 15 % unter Gewichtung aller Umstände zu bejahen.

Das Gericht verurteilte daher die PKV antragsgemäß, unserer Mandantin die Kosten für 3 weitere IVF-Behandlungszyklen, die bis Sommer 2014 durchgeführt werden sollen, zu erstatten.

Das LG Passau merkte noch an, dass bei schlechterem Behandlungsverlauf als aus heutiger Sicht prognostiziert die Beklagte diese neuen Tatsachen im Rahmen einer sogenannten Vollstreckungsabwehrklage u. U. geltend machen kann.