Altersgrenzen – nach der Rechtsprechung zulässig

§ 27 a SGB V in der aktuellen Fassung sieht bei Kassenleistungen für eine künstliche Befruchtung Altersgrenzen (Mindestalter und Höchstalter) vor. Das Mindestalter beträgt einheitlich 25 Jahre, das Höchstalter für die Frau 40 und für den Mann 50 Jahre. Innerhalb des Kinderwunschpaares müssen Mann und Frau die Altersgrenzen einhalten. Die Rechtsprechung hält die Altersgrenzen für rechtmäßig und verfassungskonform und verlangt deren Einhaltung auch dann, wenn nicht beide Ehepartner Kassenmitglieder sind (siehe unsere weiteren Beiträge auf dieser Seite).

Die Frage: woran ist bei der Altersgrenze (w/m) anzuknüpfen?

Eine Detailfrage ist: an welches Ereignis oder welchen Zeitpunkt wird bei der Altersgrenze angeküpft?

Das Gesetz selbst regelt dazu nichts.

In den „Richtlinien über künstliche Befruchtung“ ist geregelt, dass es bei einer Behandlung im Spontanzyklus auf den 1. Zyklustag der Frau ankommt, bei einer stimulierten Behandlung auf den ersten Tag  der Stimulation oder Downregulation. Dieser Zeitpunkt liegt vor der Entnahme und Befruchtung der Eizelle. Das bedeutet: wenn mit der Behandlung begonnen wurde, bevor die Frau 40 wurde, dann schadet es nicht, wenn  die Eizelle erst nach dem 40. Geburtstag der Frau befruchtet und transferiert wird.

Zur Kryokonservierung sagen die Richtlinien in diesem Zusammenhang nichts, weder hinsichtlich des Einfrierens von Eizellen noch von Sperma. In der Praxis ist es denkbar, dass mehr Eizellen entstehen, als im 1. Transferzyklus übertragen werden können. Auch ist es möglich, dass der Rücktransfer nicht unmittelbar im Anschluss an Punktion und Befruchtung stattfinden kann. So kann zwischen Beginn der Behandlung und dem Rücktransfer der (letzten) befruchteten Eizelle eine lange Zeitspanne liegen.

Zur männlichen Höchstaltersgrenze (50):

Nach dem Urteil des Bay. LSG (Urteil vom 26.7.2017) muss die männliche Höchstaltersgrenze auch zum Beginn des weiblichen Zyklus eingehalten sein. Das wurde unserem Mandanten in folgender Konstellation zum Verhängnis:

Bei der Gewinnung und Kryokonservierung seines Spermas im Jahre 2007 war er 45 Jahre alt. Aus wirtschaftlichen Gründen (Arbeitslosigkeit)  verzögerte sich die künstliche Befruchtung. Sie wurde erst (übrigens erfolgreich) 2015 durchgeführt. 2015 war er aber schon älter als 50. Die Krankenkasse lehnte daher eine Kostenübernahme ab.

Das Gericht gab der Krankenkasse recht. Zur Begründung führte es u.a. an, das Motiv für die männliche Höchstaltersgrenze sei das Kindeswohl. Der Gesetzgeber habe das Recht, Kinder vor zu alten Vätern zu schützen. Bei der weiblichen Höchstaltersgrenze (40) gehe es dagegen vorrangig um die medizinischen Erfolgsaussichten der Behandlung, die mit zunehmendem weiblichen Alter absinken. Auf die Behauptung des Klägers, eingefrorenes Sperma würde nicht altern oder an Qualität verlieren, komme es daher nicht an; jedenfalls nehme mit dem Lauf der Zeit das Alter des Wunschvaters selbst zu. – Eine Parallele zur Anknüpfung auf weiblicher Seite – 1. Zyklustag und nicht u.U. zeitlich wesentlich später liegender Rücktransfer der Eizelle nach Befruchtung – wollte das Bay. LSG nicht sehen. Hätte das LSG beim Sperma mit dem „weiblichen Maßstab“ gemessen, dann hätte sich – zu Gunsten unseres Mandanten – ohne Weiteres vertreten lassen, dass auf den Zeitpunkt der Entnahme des Spermas abzustellen ist.