GMG

2204, 2012

Kinderwunschbehandlung in der GKV – bald bundesweit 75 % statt 50 % für Kassenpatienten?! Warum aber nicht 100% wie früher?

By |April 22nd, 2012|Rechtshistorie, Trends|0 Comments

Derzeit wird in der gesetzlichen Krankenversicherung (PKV) leider nur ein Anteil von 50 % der Behandlungskosten für eine Kinderwunschbehandlung von den Krankenkassen geleistet. Das ist so seit 1.1.2004 mit dem in Kraft Treten des damaligen GMG; die Einzelheiten sind in § 27 a SGB V geregelt.

Für finanzschwache Kinderwunschpaare ist die derzeitige Regelung eine große Hürde, können sie doch die finanziellen Belastungen oft kaum oder nicht tragen. Kein Wunder, dass die Kinderwunschbehandlungen seit 2004 stark zurück gegangen sind und somit für immer mehr Paare, die ungewollt kinderlos sind, die IVF-Behandlung nur noch in der Theorie existiert.

Das soll und könnte sich bald ändern! Eine gesetzliche Neuregelung nimmt z.Z. konkrete Formen an und soll im Sommer 2012 im Bundestag zur Abstimmung kommen. Demnach ist vorgesehen, dass immerhin 75 % der Kosten – statt derzeit 50 % – übernommen werden; zum unveränderten Kassenanteil von 50 % sollen weitere 25 % mit Hilfe eines Bundeszuschusses finanziert werden. Damit kämen bundesweit alle Krankenkassenpatienten in den Genuss einer 75 %igen Erstattung bei Kinderwunschbehandlungen. Derzeit gibt es den 25 % Zuschuss vereinzelt auf Länderebene (z.B. Sachsen).

Das bedeutet zwar keine vollständige Rückkehr zu „guten alten Zeiten“ mit einer Kostenerstattung von damals 100 % durch die Krankenkassen, aber immerhin eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Stand mit nur 50 % Erstattung.

Näheres zum Kinderwunschförderungsgesetz hier:  KiwunschG

50 % + 25 % = 75 %.

Allerdings bleibt Kritik: warum kehrt der Gesetzgeber nicht zur früheren Rechtslage (gültig bis 31.12.2003!) zurück, also zur Kostenerstattung mit 100 %

Leider stagniert aber die gesetzliche Neuregelung!

Einige Krankenkassen behelfen sich in der unbefriedigenden Situation damit, dass sie ihren Mitgliedern „Extras“ für Kinderwunschbehandlungen gewähren (z.B. 75 %), die über den heute gültigen gesetzlichen Mindestumfang hinaus gehen. Solange das so ist, lohnt sich also u.U. ein Kassenvergleich! 

1001, 2010

gesetzliche Leistungsbegrenzung auf 50 % der Behandlungskosten bei IVF ab 1.1.2004 ist rechtmäßig

By |Januar 10th, 2010|GKV Krankenkassen|0 Comments

Bis zum 31.12.2003 mussten die Krankenkassen gemäß § 27 a SGB V von den notwendigen Kosten einer IVF-Behandlung 100 % tragen. Mit dem GMG (GKV-Modernisierungsgesetz) wurde dies -in Zeiten knapper Kassen- ab 1.1.2004 reduziert auf nur noch 50 %. Das GMG enthielt außerdem einige weitere Einschränkungen, z.B. strikte Höchst- und Mindestaltersgrenzen (dazu weitere Urteile auf dieser Seite!).

Das BSG hält diese Leistungskürzung durch den Gesetzgeber für  zulässig und auch verfassungskonform. Die Begründung enthält zur Rechtfertigung des patientenfeindlichen Urteils einen gewissen “Kunstgriff”: der Gesetzgeber habe nämlich für die künstliche Befruchtung einen Versicherungsfall eigener Art schaffen wollen; bei der Sterilitätsbehandlung mittels IVF handle es sich – angeblich – nicht um die Behandlung einer Krankheit. Daher darf der Gesetzgeber, so das BSG, dem Patienten hier ohne weiteres eine Eigenbeteiligung von 50 % aufbürden. Bei IVF und ähnlichen Behandlungsarten der künstlichen Befruchtung handle es sich nicht um eine “Kern-Leistung wegen Krankheit”, so das BSG. Damit wird – leider und nach unserer Auffassung auch zu Unrecht – das Sterilitätsleiden vieler Paare als nebensächlich oder von untergeordneter Bedeutung abgestempelt (B 1 KR 6/07, Urteil vom 19.09.2007).

Anmerkung:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 27.01.2009, 1 BvR 2982/07, das GMG mit dieser Einschränkung gleichfalls gebilligt. Die 50% – Beschränkung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da der Sozialgesetzgeber bei leistungsgewährenden Regelungen ein weites Ermessen habe. Die künstliche Befruchtung sei nach Kassenrecht (§ 27 a SGB V) keine Heilbehandlung einer Krankheit sondern nur eine Maßnahme der Familienplanung, die weniger förderungswürdig ist. Es handle sich bei der künstlichen Befruchtung nicht um eine medizinische Therapie sondern um einen Wunsch zur Lebensgestaltung. Eine Heilbehandlung liege nicht vor, weil die Krankheit (Sterilität) mit der künstlichen Befruchtung nicht beseitigt werde. –

Unsere Kritik: Das Ergebnis, aber mehr noch die Begründung, verdienen heftige Kritik! Der vom BVerfG vertretene Krankheits- und Heilbehandlungsbegriff steht in völligem Widerspruch zur medizinischen Begriffsdefinition von Krankheit und Therapie und übrigens auch zur Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Versicherungsfall in der PKV (private Krankenversicherung). Zweifellos ist die Unfruchtbarkeit wegen eines körperlichen Defektes eine Krankheit, die einer Therapie, z.B. in Form der künstlichen Befruchtung, zugänglich ist!

Tip:

Einige Krankenkassen sind inzwischen dazu übergegangen, mittels Satzungsregelung den bei ihnen versicherten Kinderwunschpaaren höhere Leistungen als die gesetzlichen Mindestleistungen zu gewähren; z.B. erstatten sie 75 % der Kosten statt der vorgeschriebenen 50 %. Das ist zulässig (BSG, Urteil vom 18.11.2014).


1001, 2010

Höchstalter für Frauen bei IVF ab 1.1.2004: jetzt schon bei 40; Geltung auch im gemischt versicherten Ehepaar!

By |Januar 10th, 2010|GKV Krankenkassen|0 Comments

Ebenso rechtmäßig ist die mit dem GMG zum 1.1.2004 erfolgte Reduzierung der weiblichen Altersgrenze auf nun 40 Jahre (Höchstalter) für Kassenleistungen auf IVF. Für den Ausschluss älterer Frauen von der Kassenleistung gemäß § 27 a SGB V sprechen insbesondere die sinkenden Erfolgsaussichten der Behandlung ab diesem (weiblichen) Alter, so das BSG (B 1 KR 12/08 R, Urteil vom 03.03.2009).

Bestätigt und vertieft hat das BSG seine Rechtsprechung in einem weiteren Urteil (25.06.2009, B 3 KR 7/08 R): dort wird ausgeführt, dass die weibliche Altersgrenze 40 verfassungskonform sei und die Altersgrenzen von beiden Ehepartnern einzuhalten seien, auch wenn nur einer davon Kassenmitglied ist.

Das Urteil vom 25.06.2009 ist für alle gemischt versicherten Paare und den Leistungsanspruch des in der GKV versicherten Partners von  Bedeutung!

Anmerkung: Vorher war die absolute Altersgrenze bei 45 Jahren! Bei Frauen zwischen 40 und 45 war IVF nach Einzelfallprüfung zu gewähren, wenn nach medizinischer Prüfung gute Chancen für eine Schwangerschaft mittels IVF bestanden. – In der PKV gilt diese strikte Altersgrenze nicht. Dort wird eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 % gefordert, die „im statistischen urchschnittsfall“ heute bei ca. 42 jährigen Frauen erreicht ist (vgl. IVF-Register), in vielen Einzelfällen aber auch erst später. Auch bei der Kinderwunschbehandlung gilt es also eine 2-Klassen-Krankenversorgung und eine Schlechterstellung der Kassenpatienten!

1001, 2010

Höchstalter 50 Jahre für Männer bei IVF ab 1.1.2004

By |Januar 10th, 2010|GKV Krankenkassen|0 Comments

Eine weitere Leistungseinschränkung durch das GMG (Gesundheitsmodernisierungsgesetz) lag in der Einführung strikter Altersgrenzen. So können ab 1.1.2004 gemäß § 27 a SGB V keine Leistungen mehr für IVF gewährt werden, wenn der Ehemann älter als 50 Jahre ist (Höchstalter der Frau: 40; das Mindestalter beider Ehepartner muss übrigens 25 sein). Medizinische, soziale und am Kindeswohl orientierte Gründe sprechen für eine derartige Höchstaltersgrenze der potentiellen Väter, so das BSG (B 1 KR 10/06 R, Urteil vom 24.05.2007).