Bisher war es völlig einhellige Meinung (z.B. Urteil des BFH vom 18.05.1999), dass bei organisch bedingter Paarsterilität Aufwendungen für eine Behandlung mit einer Drittsamenspende nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar nach § 33 EStG sind. Nun hat das Niedersächsiche Finanzgericht als erstes Finanzgericht die gegenteilige Auffassung vertreten (Urteil vom 05.05.2010).
Das Niedersächsiche FG stellt darauf ab, dass die Samenspende bei männlicher Sterilität zulässig ist, die Behandlung unter Beachtung der Regeln der ärztlichen Berufsordnung durchgeführt wurde und letztlich der Heilbehandlung des männlichen Sterilitätsleidens gedient habe. Die organische Unfähigkeit, Vater zu werden, sei mit der Fremdsamenspende behoben worden, jedenfalls wenn man – nur – auf das Merkmal der Kinderlosigkeit des Paares abstellt.
Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung folgte der BFH (Bundesfinanzhof) dem Urteil des FG und wies die Revision des Finanzamtes zurück (Urteil vom 16.12.2010).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Ehepaar blieb kinderlos, weil der Ehemann an einer – nicht behandelbaren – Infertilität litt. Das Ehepaar entschied sich daher für eine Samenspende mit Fremdsamen (donogene Insemination), um auf diesem Wege sich den Kinderwunsch zu erfüllen – auch wenn es sich dabei biologisch gesehen nur „um ein halbes eigenes“ Kind handeln würde (Eizelle der Ehefrau + fremder Spendersame eines anderen Mannes). Die Aufwendungen von ca. 20.000 € kann das Ehepaar als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG nach dem Urteil des BFH nun steuermindernd absetzen.
Anmerkungen:
(1) Die Urteile sind im Ergebnis zutreffend, überzeugen aber in der Begründung nicht ganz. Aus medizinischer Sicht liegt nämlich bei der donogenen Insemination keine Behandlung der Krankheit des Ehemannes vor – da nicht seine Samenzellen behandelt und verwendet wurden. Ein biologisch zu 100 % eigenes Kind wird dem Paar dadurch nicht wirklich ermöglicht. Jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Heilbehandlung der männlichen Krankheit lassen sich daher nach unserer Meinung die Aufwendungen nur schwer unter § 33 EStG einordnen; stellt man in diesem Zusammenhang aber auf den ansonsten unerfüllten Kinderwunsch selbst ab, dann schon. Man könnte an einen Vergleich mit Adoptionskosten denken; aber hier sagt die derzeit herrschende Rechtsprechung, dass diese – im Gegensatz zu Heilbehandlungskosten – nicht zwangsläufig entstehen und deswegen auch nicht absetzbar gemäß § 33 EStG sind.
(2) Der BFH hat in seinem Urteil auch nicht exakt zwischen Drittsamenspende und den Fällen unterschieden, die ein „lediglich unverheiratetes“ Paar – jedoch unter Verwendung nur von Keimzellen der 2 Partner! – betreffen. Bei Letzterem werden ausschließlich eigene Samen- und Eizellen des Kinderwunschpaares benutzt, welches lediglich nicht verheiratet ist; bei der Drittsamenspende geht es dagegen – bezüglich der Samenzellen – um die Verwendung von Sperma eines anderen Mannes!
(3) Die donogene Insemination ist nach unserer Auffassung anders zu beurteilen als die „quasi-homologe“ Insemination („paarinterne“ Keimzellen, keine Drittspende, Paar lediglich unverheiratet).
(4) Das Urteil des BFH, das die Absetzbarkeit der Behandlungskosten im Steuerrecht nach § 33 EStG betrifft, ist nicht auf das Zivilrecht – IVF mit Drittsamenspende als Versicherungsfall in der PKV – übertragbar. Für die PKV hat z.B. das LG Mannheim (Urteil vom 28.08.2009) entschieden, dass bei Drittsamenspende kein Versicherungsfall in der PKV vorliege.
Mehr dazu: siehe Urteile PKV!