Bis zum 31.12.2003 mussten die Krankenkassen gemäß § 27 a SGB V von den notwendigen Kosten einer IVF-Behandlung 100 % tragen. Mit dem GMG (GKV-Modernisierungsgesetz) wurde dies -in Zeiten knapper Kassen- ab 1.1.2004 reduziert auf nur noch 50 %. Das GMG enthielt außerdem einige weitere Einschränkungen, z.B. strikte Höchst- und Mindestaltersgrenzen (dazu weitere Urteile auf dieser Seite!).

Das BSG hält diese Leistungskürzung durch den Gesetzgeber für  zulässig und auch verfassungskonform. Die Begründung enthält zur Rechtfertigung des patientenfeindlichen Urteils einen gewissen “Kunstgriff”: der Gesetzgeber habe nämlich für die künstliche Befruchtung einen Versicherungsfall eigener Art schaffen wollen; bei der Sterilitätsbehandlung mittels IVF handle es sich – angeblich – nicht um die Behandlung einer Krankheit. Daher darf der Gesetzgeber, so das BSG, dem Patienten hier ohne weiteres eine Eigenbeteiligung von 50 % aufbürden. Bei IVF und ähnlichen Behandlungsarten der künstlichen Befruchtung handle es sich nicht um eine “Kern-Leistung wegen Krankheit”, so das BSG. Damit wird – leider und nach unserer Auffassung auch zu Unrecht – das Sterilitätsleiden vieler Paare als nebensächlich oder von untergeordneter Bedeutung abgestempelt (B 1 KR 6/07, Urteil vom 19.09.2007).

Anmerkung:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 27.01.2009, 1 BvR 2982/07, das GMG mit dieser Einschränkung gleichfalls gebilligt. Die 50% – Beschränkung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da der Sozialgesetzgeber bei leistungsgewährenden Regelungen ein weites Ermessen habe. Die künstliche Befruchtung sei nach Kassenrecht (§ 27 a SGB V) keine Heilbehandlung einer Krankheit sondern nur eine Maßnahme der Familienplanung, die weniger förderungswürdig ist. Es handle sich bei der künstlichen Befruchtung nicht um eine medizinische Therapie sondern um einen Wunsch zur Lebensgestaltung. Eine Heilbehandlung liege nicht vor, weil die Krankheit (Sterilität) mit der künstlichen Befruchtung nicht beseitigt werde. –

Unsere Kritik: Das Ergebnis, aber mehr noch die Begründung, verdienen heftige Kritik! Der vom BVerfG vertretene Krankheits- und Heilbehandlungsbegriff steht in völligem Widerspruch zur medizinischen Begriffsdefinition von Krankheit und Therapie und übrigens auch zur Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Versicherungsfall in der PKV (private Krankenversicherung). Zweifellos ist die Unfruchtbarkeit wegen eines körperlichen Defektes eine Krankheit, die einer Therapie, z.B. in Form der künstlichen Befruchtung, zugänglich ist!

Tip:

Einige Krankenkassen sind inzwischen dazu übergegangen, mittels Satzungsregelung den bei ihnen versicherten Kinderwunschpaaren höhere Leistungen als die gesetzlichen Mindestleistungen zu gewähren; z.B. erstatten sie 75 % der Kosten statt der vorgeschriebenen 50 %. Das ist zulässig (BSG, Urteil vom 18.11.2014).