Ausgangslage:

Eine Krankenversicherung versuchte – erfolglos – mit dem Einwand der Vorvertraglichkeit sich der Kostenübernahme für eine Kinderwunschbehandlung, die 2011 und 2012 durchgeführt wurde, zu entziehen. In der Krankenversicherung beginnt der Versicherungsschutz grundsätzlich erst mit dem Zeitpunkt des im Versicherungsschein vermerkten Versicherungsbeginns, u.U. auch später, wenn Wartefristen gelten. Eine Rückwärtsversicherung könnte zwar theoretisch auch vereinbart werden; das kommt aber in der Praxis kaum vor. Grundlage für diese Rechtslage sind §§ 2, 3 MB/KK (Musterbedingungen Krankenversicherung) und § 10 VVG (Versicherungsvertragsgesetz).

Eine Heilbehandlung beginnt bereits mit der ersten Diagnosemaßnahme. So kann bereits die Mittelung eines Krankheitsverdachtes oder von Beschwerden den Versicherungsfall auslösen. Wenn dieser Zeitpunkt vor dem Versicherungsbeginn liegt, ist der Versicherer leistungsfrei: Vorvertraglichkeit.

Sachverhalt:

Unsere Mandantin äußerte gegenüber ihrer hausärztlichen Gynäkologin das Bestehen eines Kinderwunsches bei einem Arztbesuch im Februar 2010. Im März 2010 schloss sie eine Krankenversicherung bei einer PKV ab (zuvor war sie gesetzlich versichert). Ferner war im Krankenblatt der Gynäkologin vermerkt, dass 2001 – also fast 10 Jahre vorher – eine hormonelle Unregelmäßigkeit bei der Frau aufgetreten war. Nachher hatte sie langjährig die Pille eingenommen und erst zuletzt im Hinblick auf ihren nunmehrigen Kinderwunsch abgesetzt. Aktuell wurde bei ihr ein Tubendefekt (nur schwer durchgängige Eileiter) diagnostiziert. Die PKV bestritt ihre Eintrittspflicht, zunächst mit dem Argument, dass es an einer weiblichen Krankheitsursache fehle und dann – zusätzlich – mit dem Einwand der Vorvertraglichkeit.

Die PKV vertrat die Auffassung, dass die Behandlung schon vor Abschluss der Krankenversicherung bei ihr im März 2010 begonnen habe.

Damit drang die PKV aber vor Gericht nicht durch.

Urteil:

Das Landgericht München I befand mit Urteil vom 4.4.2014, dass die Versicherung die Kosten der Kinderwunschbehandlung zu tragen hat. Unsere Mandantin habe eine weibliche Krankheitsursache durch das Gerichtsgutachten nachgewiesen.

Der Einwand der Vorvertraglichkeit greife auch nicht. Die Einträge auf der Karteikarte der Gynäkologin seien „Notitzen im medizinisch unauffälligen Bereich“, so das Landgericht. Das Äußern eines Kinderwunsches, z:B. im Zusammenhang mit der Information, dass nunmehr die Pille abgesetzt werde, stellt für sich genommen noch nicht den Beginn einer Behandlung dar. Und auch die etwaigen früheren hormonellen Unregelmäßigkeiten – immerhin fast 10 Jahre zurück liegend! – seien hier ohne Belang.

Das Gericht gab daher unserer Klage statt.